Irma Baralija hat großen Anteil daran, dass Wahlen stattfinden.

Foto: ELVIS BARUKCIC / AFP

Am Sonntag gibt es ein Einerseits und ein Andererseits. Elma R. lässt sich vor der osmanischen Moschee im Herzen von Mostar die Sonne ins Gesicht scheinen. "Ich finde es sehr wichtig, dass wir wieder wählen gehen können", sagt die 54-Jährige. Der Mann, der neben ihr auf der Parkbank sitzt, ist gegen das Abkommen, das erstmals seit zwölf Jahren wieder Lokalwahlen in der herzegowinischen Stadt ermöglicht: "Die sind verrückt hier, diese Nationalisten. Das ist nicht so wie die politische Rechte in Mitteleuropa. Die hier, das sind richtige Nazis."

Einerseits ist es in einem Land, in dem seit 15 Jahren praktisch gar nichts mehr weitergeht, als Fortschritt zu bezeichnen, dass die Einwohner von Mostar endlich wieder ihrem Wahlrecht nachgehen können. Mostar war die einzige Stadt in ganz Europa, wo den Bürgern dies nach 2008 verwehrt wurde.

Andererseits kritisieren jene Herzegowiner, die nicht nach "ethno-religiösen" Kriterien eingeteilt werden wollen, sondern einfach als Bürgerinnen und Bürger respektiert werden wollen, die jetzige Einzementierung der "ethnischen" Teilung der Stadt.

Deal der Nationalisten

Nachdem Mostar im Krieg 1993 zerstört worden war, schrieb das Friedensabkommen von Dayton, das vor genau 25 Jahren unterzeichnet wurde, die "rechtliche und funktionale Einheit von Mostar" vor. Die gesamte Verwaltung sollte wieder in die "zentrale Zone" der Stadt, die ansonsten von radikalen Nationalisten in einen katholisch-kroatischen und einen muslimisch-bosniakischen Teil getrennt wurde, reintegriert werden.

25 Jahre danach wurde aber nun im Juni ein Abkommen zwischen den Parteiführern der extrem nationalistischen HDZ und der nationalistischen SDA, Dragan Čović und Bakir Izetbegović, abgeschlossen – unterstützt von der EU, Großbritannien und den USA –, das die Stadt de facto in drei kroatische und drei bosniakische Bezirke zerteilt. Alle anderen Parteien waren von dem Abkommen ausgeschlossen.

Und dies, obwohl Irma Baralija, Politikerin der liberalen Bürgerpartei Naša stranka, erst durch ihre Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erreicht hatte, dass eine Frist gesetzt wurde, die heuer endlich Wahlen ermöglichen sollte. Zudem waren es gerade die HDZ und die SDA, die bisher die Wahlen verhinderten.

Zweiter Deal

Besonders kritisiert wird ein zweiter Deal zwischen Izetbegović und Čović, in dem der Begriff "legitime Repräsentation" vorkommt. Der Nationalist Čović will damit – wie im Krieg – einen eigenen "kroatischen Landesteil" schaffen. Erst jüngst hatte er sich sogar vor dem UN-Sicherheitsrat mit einer Flagge des damaligen kriminellen Para-Staates Herceg-Bosna gezeigt.

Der Bosnien-Experte Bodo Weber verweist darauf, dass die EU eigentlich fordert, dass das "ethnische Prinzip" zurückgedrängt wird. (Adelheid Wölfl aus Mostar, 18.12.2020)