Ein Tatort des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt. Die Regierung will mit Neuerungen in der Prävention und bei Sanktionen punkten. Einen neuen Straftatbestand hätten Rechtsexperten dafür nicht gebraucht.

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Er ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Koalitionsparteien: der neue Straftatbestand "religiös motivierte extremistische Verbindung", der im Vorfeld zumeist als "Straftatbestand politischer Islam" bezeichnet wurde. Kultusamtsministerin Susanne Raab (ÖVP) wurde zwar nicht müde, bei der Präsentation des Antiterrorpakets zu betonen, dass sich der Tatbestand sehr wohl gegen den politischen Islam richte – tatsächlich ist das Gesetz aber neutral formuliert. Wiewohl die Intention des Gesetzgebers dann in den Erläuterungen klargemacht wird: Dort wird explizit auf Islamismus Bezug genommen.

Das hält der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk für "unsauber." Dass der Regelung ein ähnliches Schicksal wie dem Kopftuchverbot droht – eine Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof –, hält Funk aber für unwahrscheinlich, denn das Kopftuchverbot zielte in seiner Formulierung stärker auf eine bestimmte Religion ab.

Handhabe bereits da

Aber Funk hält den Gesetzesvorschlag ganz grundsätzlich für problematisch. Zum einen sei es "kaum klar, was hier unter Strafe gestellt werden soll". Zum anderen sei diese Strafbestimmung bereits durch geltendes Recht erfasst. "Hier wird eine Art legistischer Aktionismus gesetzt", sagt Funk. "Es ist ein Akt symbolischer Gesetzgebung."

Auch Alois Birklbauer, Professor für Strafrecht an der JKU Linz, fehlt die Notwendigkeit eines neuen Straftatbestandes und vergleicht die Situation mit der Einführung des "Staatsverweigerer-Paragrafen": "In der jetzigen Situation ist das ähnlich wie damals: Eigentlich braucht man diesen neuen Paragrafen nicht." Dass Raab im Interview in der "Zeit im Bild" 2 etwa meinte, man habe damit eine Handhabe gegen Gruppierungen wie selbsternannte "Sittenwächter", kann Birklbauer nicht nachvollziehen: "Gegen diese Handlungen gibt es mit der Nötigung schon eine Handhabe, die noch dazu eine höhere Strafandrohung beinhaltet als die extremistische Verbindung." Auch Sekten könnten unter den neuen Tatbestand fallen, sagt Birklbauer.

Birklbauer geht davon aus, dass der Paragraf nur selten zur Anwendung kommen werde, auch er spricht von "symbolischer Strafgesetzgebung."

Wachsende Symbolverbotsliste

Doch nicht nur im übertragenen, auch im tatsächlichen Wortsinn sollen im Rahmen des Pakets Änderungen im Symbolegesetz vorgenommen werden: Die Liste der verbotenen Zeichen soll um jenes der rechtsextremen Identitären ergänzt werden. In der Tatsache, dass die Identitären als Organisation selbst nicht verboten sind, aber ihr Symbol künftig schon, sieht Christoph Bezemek, Professor für öffentliches Recht an der Universität Graz, einen "Wertungswiderspruch".

Man müsse die Sachlichkeitsfrage dahinter stellen: "Entweder eine Bewegung ist als Gesamtes verboten – oder sie ist es nicht und dementsprechend auch nicht ihre Symbole." Juristisch sei das zwar prinzipiell möglich, es sei aber auch nicht ausgeschlossen, dass eine Entscheidung nach einer etwaigen Beschwerde "zugunsten der Sachlichkeit ausgeht". Identitären-Chef Martin Sellner sagt auf STANDARD-Nachfrage, dass man noch nicht "endgültig geklärt" habe, ob man gegen das Verbot juristisch vorgehen werde.

Bezemek übt grundsätzliche Kritik an der anwachsenden Symbolverbotsliste: "Es ist nicht gut, wenn man diese Sachen verdrängt. Nur weil ich wegschaue, heißt das nicht, dass sie nicht immer noch da sind."

Keine Waffen mehr

Offene Fragen warf zudem die Ankündigung eines Gefährderregisters auf, das sicherstellen sollte, dass verurteilte Terroristen nach ihrer Haftstrafe nicht in sicherheitsrelevanten Berufen arbeiten dürfen und in Österreich keine Waffe mehr legal erwerben können. Bewilligungspflichtige Waffen waren schon bisher gesperrt. Künftig sollen Gefährder nun auch bloß registrierungspflichtige Waffen nicht mehr legal erwerben können. Beide Verbote sollen lebenslang gelten.

Im Fall des Täters, der im November in Wien einen Anschlag verübt hatte, hätte diese Verschärfung des Gesetzes allerdings keinen Unterschied gemacht, da er sich seine Waffen ohnehin nicht legal beschafft hatte. (Vanessa Gaigg, Colette M. Schmidt, Fabian Schmid, 17.12.2020)