Facebook, Google, Twitter und Konsorten werden künftig österreichische Nutzer nicht mehr ignorieren können, wenn sie rechtswidrige Beiträge melden: So lauten zumindest die großen Worte der Bundesregierung, mit denen sie ihr Gesetzespaket gegen Hass im Netz bewirbt. In der Wirklichkeit wird davon höchstwahrscheinlich aber wenig übrig bleiben: Die EU-Kommission warnt in ihrem Schreiben an die Regierung eindringlich davor, dass das im Bundeskanzleramt entworfene Gesetz gegen die EU-Richtlinie für den elektronischen Geschäftsverkehr verstößt. Sie will zwar politisch nicht mit einem Vertragsverletzungsverfahren eingreifen, empfiehlt aber eine Überarbeitung. Denn vor Gericht dürfte das Gesetz abblitzen. Da strengere Regeln als im Herkunftsland der Betreiber geplant sind, können jene IT-Konzerne, die ihren Sitz in Ländern wie Irland oder den Niederlanden haben, sie getrost ignorieren – und alle anderen auch.

Die Bundesregierung bewirbt mit großen Worten ihr Gesetzespaket gegen Hass im Netz.
Foto: APA/DPA/LUKAS SCHULZE

Eine Überarbeitung wäre klug. Das Gesetz würde mit seinen sehr niedrigen Grenzen – bloß 100.000 Nutzer oder 500.000 Euro Umsatz reichen aus, um betroffen zu sein – nämlich gerade den großen Konzernen, die die ÖVP damit nach eigenen Angaben eigentlich anpeilen wollte, in die Hände spielen. Für sie wäre es finanziell leicht, wie vorgeschrieben einen Zustellungsbevollmächtigten in Österreich zu ernennen und rechtswidrige Beiträge innerhalb kürzester Zeit zu löschen. Auch können IT-Giganten sich die drakonischen Strafen in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro im Gegensatz zu ihrer Konkurrenz leisten.

Ein Start-up im Social-Media-Bereich wird aber zahlreiche attraktivere Alternativen finden, wenn es in Erwägung zieht, in Österreich aktiv zu werden. Dieser Problematik für kleine Plattformen war sich die Regierung auch bewusst, aber anstatt die Grenzen zu erhöhen, entschied sie sich dazu, zahlreiche Ausnahmen einzuräumen – was nun dazu führen wird, dass das Gesetz effektiv ins Leere schießt.

Kritische Stellungnahme

Dass der türkise Entwurf rechtswidrig sein könnte, hatten Rechtsexperten bereits im Sommer bemängelt. Auch wurden während der Begutachtungsphase zahlreiche Stellungnahmen mit viel Kritik eingereicht. Das von Karoline Edtstadler (ÖVP) geführte Verfassungsministerium ignorierte diese aber großteils. Auch sah es davon ab, die kritische Stellungnahme der EU-Kommission im Wortlaut zu veröffentlichen.

Warum, ist bei einem Blick auf die deutlichen Worte der Kommission klar ersichtlich: Das Gesetz war als Leuchtturmprojekt beworben worden, in Wahrheit ist es aber eine Farce. Es bedient sich zu einem großen Teil des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), das selbst massiv in Kritik geraten war und die EU erst dazu bewegte, selbst mit dem Digital Services Act an einer ähnlichen Regelung für den gesamten Binnenmarkt zu arbeiten.

Auf die hätte die Regierung lieber warten sollen, denn die Maßnahmen würden im Gegensatz zu jenen von Türkis-Grün auch wirklich große Konzerne, nämlich jene, die mehr als 42 Millionen Nutzer zählen, betreffen. Auch verhindert eine gemeinsame Lösung eine Fragmentierung des EU-Raums, der durch viele unterschiedliche Regelungen unattraktiv wird. Stattdessen entschied sich Edtstadler aber dazu, Showpolitik zu betreiben – und die bittere Ernte ihres Bestrebens einfach zu vertuschen. (Muzayen Al-Youssef, 17.12.2020)