Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf den Kindesunterhalt.

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Durch die aktuelle Corona-Pandemie sind die Arbeitslosenzahlen massiv angestiegen, und noch mehr Menschen befanden oder befinden sich in Kurzarbeit. Auch für viele Unternehmer und Selbstständige hat sich die wirtschaftliche Situation drastisch verschlechtert. Die damit verbundenen Einkommenseinbußen haben leider auch Auswirkungen auf den Kindesunterhalt. Dieser bemisst sich nämlich am Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils und beträgt im Regelfall zwischen 16 Prozent (bis zum Alter von sechs Jahren) und 22 Prozent (ab 15 Jahren) des monatlichen Nettoeinkommens. Hat der unterhaltspflichtige Elternteil weitere Sorgepflichten (zum Beispiel mehrere Kinder), reduzieren sich diese Prozentsätze.

Ist der Unterhalt bereits gerichtlich festgesetzt, kann bei jeder wesentlichen Änderung der Bemessungsgrundlage (in der Regel ab einer Reduktion des Einkommens von zumindest zehn Prozent) ein Unterhaltsherabsetzungsantrag gestellt werden. Der Unterhalt wird dann vom Gericht neu festgesetzt. Wenn der Unterhaltspflichtige die Zahlungen einfach einstellt, kann zwar sofort Exekution geführt werden, der Unterhaltspflichtige kann dagegen allerdings Einwendungen erheben, weil er aufgrund seines niedrigeren Einkommens auch weniger Unterhalt zu leisten hat. Es ist daher wesentlich sinnvoller, einen Unterhaltsvorschuss zu beantragen. Dies ist derzeit auch dann möglich, wenn es zwar einen Unterhaltstitel (zum Beispiel einen Gerichtsbeschluss oder eine Unterhaltsvereinbarung des Kinder- und Jugendwohlfahrtsträgers) gibt, aber zuvor noch kein Exekutionsantrag eingebracht wurde. Diese Regelung ist allerdings bis Jahresende befristet und sollte daher unbedingt verlängert werden.

Wenn es noch keinen Unterhaltstitel gibt und der unterhaltspflichtige Elternteil plötzlich weniger oder gar keinen Unterhalt zahlt, muss zunächst ein Unterhaltsantrag bei Gericht gestellt werden. Bis der Unterhalt vom Gericht festgesetzt ist, dauert es allerdings einige Zeit. Für minderjährige Kinder kann zwar mit einer einstweiligen Verfügung rasch ein vorläufiger Unterhalt beantragt werden, dieser richtet sich allerdings nach der Familienbeihilfe und beträgt zwischen 114 Euro (für Kinder bis zu drei Jahren) und 141,50 Euro (für Kinder ab zehn Jahren). Dass es mit diesem Betrag nicht einmal ansatzweise möglich ist, die Kosten für ein Kind zu bestreiten, ist offensichtlich.

Auch wenn viele unterhaltspflichtige Elternteile momentan einfach nicht mehr in der Lage sind, den vollen Unterhalt zu bezahlen, bekommen letztendlich die vielen Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen und ihre Kinder die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise am härtesten zu spüren, obwohl diese Gruppe ohnehin schon besonders armutsgefährdet ist und daher keine weiteren finanziellen Einbußen mehr verkraften kann.

Staatlich garantierter Mindestunterhalt ist dringend notwendig

Es wäre daher höchste Zeit, endlich den staatlich garantierten Mindestunterhalt einzuführen, und zwar nicht nur während der Corona-Krise, sondern dauerhaft. Denn die traurige Realität ist, dass viele Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen schon bisher nicht wussten, wie sie jeden Monat ihre Miete bezahlen sollen. Wenn dann auch noch der bisherige (ohnehin unzureichende) Unterhaltsbetrag herabgesetzt wird, kann dies schnell existenzbedrohend sein. Eigentlich haben sich die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen aller Parteien bereits vor der Nationalratswahl 2017 einstimmig für einen staatlich garantierten Mindestunterhalt für Kinder in Höhe von 250 Euro pro Monat ausgesprochen. Passiert ist leider bisher nichts.

Gerade jetzt sollte es – unabhängig von den parteipolitischen Befindlichkeiten – eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass jedes Kind unabhängig vom Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils einen angemessenen Unterhalt bekommt und auch Kinder von Alleinerziehern und Alleinerzieherinnen angemessene Zukunftschancen haben. Dass in solchen Krisenzeiten, in denen der Staat – völlig zu Recht – großzügige finanzielle Unterstützungen gewährt, wieder einmal auf die Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen vergessen wird, die zwar keine große Lobby haben, aber dafür einen umso wertvolleren Beitrag für unsere Gesellschaft und die Zukunft dieses Landes leisten, ist eigentlich ein Armutszeugnis. (Carmen Thornton, 22.12.2020)