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Trotz Distanzarbeit sei die Banken-Personalchefin jetzt viel näher an mehr Menschen "dran". Wurde früher kaskadenartig kommuniziert, so erreiche sie nun ad hoc Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie so noch nicht gearbeitet hatte.

Reuters/Bernadett Szabo

"Die Krise beendet Ausreden", bringt Ronny Hollenstein auf den Punkt, was er als Berater in Fragen der Organisationsentwicklung derzeit in Unternehmen beobachtet. Damit meint er überwiegend gute Nachrichten für die Arbeitenden, etwa in der Frage Kontrolle oder Vertrauen im Homeoffice. "Kontrolle geht so einfach nicht mehr, also müssen sich Führungskräfte überlegen, wie sie Vertrauen aufbauen." Wobei, nimmt Hollenstein von diesem Thema den Schleier des Entweder-oder: "Das ist ein Spannungsfeld, das jeweils nur situativ aufgelöst werden kann."

Gemeinsam mit Sabina Mlnarsky (Personalchefin der Erste Bank und Holding) und Monika Riedl (Unternehmenssprecherin und Direktorin Brand Management der Semperit AG) hat er in der Vorwoche rund 80 Profis des "HR Circle" digital zum Arbeitsfrühstück versammelt. Thema: die Learnings aus der Krise und die Folgen für die Unternehmenskultur. Spürbar ein brandheißes Thema aktuell.

Sabine Mlnarsky hat eine Menge guter Nachrichten. "Wir haben gelernt, viel Schnickschnack wegzulassen", sagt sie etwa am Beispiel der Einführung von Microsoft 365 mitten im Lockdown. Wäre früher ein monatelanger Rollout mit vielen Schulungen und Coachings erfolgt, so habe man diesmal (gezwungenerweise) "einfach den Schalter umgelegt", also die Menschen in die unterstützte Selbstverantwortung entlassen. Und: "Es hat gut geklappt."

Tools ausmisten

Mlnarsky hat insgesamt ausgemistet und einige Tools und Inszenierungen gekübelt: "Brauchen wir das?" Gut, aber was hat Distanzarbeit (in der Bank waren die allermeisten im Homeoffice) mit der Unternehmenskultur angestellt? Ist es auseinandergegangen oder eher zusammen? "Das wissen wir noch nicht, da sind wir ein bissl wie Mediziner, wir wissen noch nicht, wie viele sonstige Schaden passiert ist. Die Leute werden jetzt müde, nicht nur wegen Videokonferenzen, sondern weil uns schön langsam der Kontakt wirklich fehlt. Das sehen wir. Wir schaffen es, alles gut am Laufen zu halten, wir schaffen es nicht, gut innovativ zu sein." Allerdings stelle sich heraus, dass die Gruppe der eher Introvertierten jetzt viel zufriedener arbeite als auf dem Open Campus, der zum andauernden Austausch quasi zwingt.

Berater Ronny Hollenstein, Sabine Mlnarsky (Human Resources Erste Bank und Holding, rechts unten) und Monika Riedl (Semperit AG, links unten) im "HR Circle". Karin Bauer hat moderiert.
Foto: Screenshot

Noch eine gute Nachricht hat die Banken-Personalchefin: Trotz Distanzarbeit sei sie jetzt viel näher an mehr Menschen "dran". Wurde früher kaskadenartig kommuniziert, so erreiche sie nun ad hoc Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie so noch nicht gearbeitet hatte.

Die wirkliche Herausforderung sieht sie beim Aufbau hybrider Büro-Homeoffice-Lösungen. Einerseits drohe Überforderung beim Versuch, es allen recht zu machen. Andererseits sei die eine gute Lösung noch nicht gefunden. Skeptisch steht sie dem Thema Homeoffice-Gesetz gegenüber. "Wir werden uns schwertun, wenn wir glauben zu wissen, was gut für andere ist, das ist so dermaßen unterschiedlich – mehr als grobe Rahmen, die ja ohnedies schon bestehen, wird nicht gut gehen. Da wird uns die Realität lehren, dass, wo man so ins Privatleben eingreift, man nicht gut weiterkommt."

Virtuell führen

Was klappt gut in der virtuellen Führung, was nicht? Monika Riedl nennt zuallererst Transparenz als Basis des Gelingens. Und dazu Regelmäßigkeit statt Anlassbezogenheit plus Nutzen aller Kanäle, mit denen das Team und die einzelnen Menschen gut können. Für Führungskräfte bedeute das, noch besser und noch öfter erreichbar zu sein.

Hollenstein stimmt zu und sieht Moderationskompetenz und die Fähigkeiten, Besprechungen zu führen, nun als Nummer eins der gefragten Fähigkeiten von Vorgesetzten. Unternehmen täten jetzt gut daran, an der Angst vor Konflikten zu arbeiten, um diese für ein neues Miteinander nutzbar zu machen. Dass die Führungskräfte die prägenden Menschen der Kultur sind, ist nicht neu, aber nun käme, so die Runde, gerade ihnen eine noch tragendere Rolle zu. Kurz: Wenn es die Chefs können, dann klappt’s.

Bringen Remote und Homeoffice neue Machtgefüge in der Firma? Mlnarsky beobachtet das Gegenteil durch direkteren Kontakt und den Wegfall der Assistenzen als "Gatekeeper" (sie sind nun einmal nicht mehr immer direkt da). "Ich hoffe, dass auch das bleibt. Und nicht in die alten Muster zurückgeht." (Karin Bauer, 18.12.2020)