Wenn sich alle Menschen im Land regelmäßig testen ließen, wäre der Kampf gegen die Pandemie bedeutend einfacher. Aber wie bringt man die Menschen dazu?

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Mit negativem Test aus dem Lockdown? Wie lange der nächste Lockdown dauern wird, liegt auch im Ermessen Einzelner. Die Regierung erwägt nämlich, Handel und Gastronomie Mitte Jänner nur für diejenigen aufzusperren, die einen negativen Corona-Test vorweisen. Alle anderen müssten weiterhin zu Hause bleiben, so der Plan, für den sich auch Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer starkmacht.

Nicht alle Experten begrüßen das. Erich Kirchler, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität Wien, bestreitet zwar nicht, dass gesundheitspolitische Ziele auch erreicht werden können, indem man Menschen, die nicht geimpft oder unlängst negativ getestet wurden, von Theaterbesuchen, Flugreisen und anderem ausschließt. Ein solcher Ansatz sei aber sehr problematisch, gibt Kirchler zu bedenken. Manche Menschen wollen sich partout nicht testen lassen. Diese vom öffentlichen Leben auszuschließen würde letztlich zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft führen und die Kooperation in der Bevölkerung erschweren.

Kooperation

"Zur erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie ist die Kooperation aller notwendig", erklärt Kirchler. Weil aber Einzelne oft das Gefühl haben, dass es auf ihren Beitrag nicht ankommt, befinden wir uns in einem sogenannten sozialen Dilemma. Je mehr Menschen denken, dass ihr eigener Beitrag vernachlässigbar ist, desto eher gerät das Infektionsgeschehen außer Kontrolle – und die Regierung muss mit harten Maßnahmen eingreifen.

"Deshalb muss es gelingen, alle davon zu überzeugen, dass Tests und Impfung sinnvoll und notwendig sind. Darüber hinaus muss es gelingen, alle zu motivieren, sich testen und impfen zu lassen", sagt Kirchler. Bei den jüngsten Massentests ist das der Regierung bekanntlich weniger gut gelungen.

Kein Zwang

Zwang lehnt der Experte als Instrument aber ab. Dieser löse Widerstand aus. Aus der Forschung wisse man, dass Kontrollen und etwaige Strafen zwar notwendig seien, um Spielregeln durchzusetzen. Sie haben aber auch Nebeneffekte, die es zu berücksichtigen gilt. Wenn der Staat genau nachsieht, wie sich die Menschen verhalten, entsteht schnell der Eindruck, dass die Behörden den Leuten misstrauen.

Das schadet nicht nur dem Vertrauen in die Spielregeln, sondern führt auch dazu, dass sich Menschen strategisch verhalten – also den Regeln nur dann folgen, wenn sie auch tatsächlich mit Kontrollen rechnen müssen. "Es ist wichtig, dass man nicht diejenigen verstärkt kontrolliert, die sich bereits an die Maßnahmen halten – man muss die Trittbrettfahrer sanktionieren", erklärt Kirchler.

Illusionen

Wenn die Sinnhaftigkeit von Tests oder Impfungen sachlich und verständlich kommuniziert würde, bräuchte das Gros der Menschen keine zusätzlichen Anreize, ist sich Kirchler sicher. Die Unentschlossenen könne man etwa mit Gutscheinen oder Lotterien locken, anstatt ihnen mit dem Ausschluss von sozialen Aktivitäten zu drohen, wie es Kammer-Chef Mahrer fordert.

Hilft das alles nichts, muss die Regierung trotz etwaiger Begleiterscheinungen zu härteren Maßnahmen greifen. Denn ausschließlich auf Abstandsregeln und Eigenverantwortung zu setzen sei auch keine Option, sagt Kirchler. Auch wenn die Menschen von der Sinnhaftigkeit der Regeln überzeugt sind: Sie halten sich nicht immer daran. Der Experte nennt als Beispiel die sogenannte Kontrollillusion: "Wir denken, dass wir eh aufpassen. Vor allem im familiären Umfeld liegen wir mit der Annahme, dass alles unter Kontrolle ist, oft falsch – jedenfalls spätestens nach dem dritten Glas Wein."

Vertrauen hilft

Wie man Vertrauen aufbaut? Indem man als wohlwollend und gerecht wahrgenommen wird. Aber auch, indem man Professionalität ausstrahlt. Eine Eigenschaft, die Neos-Wirtschaftssprecher und Touristiker Sepp Schellhorn der türkis-grünen Bundesregierung wegen des bevorstehenden neuen Lockdowns absprach. Der türkis-grüne "Zick-zack-Kurs" raube jede Planung, Schellhorn warf der Regierung Dilettantismus vor. Wie viele Menschen in Österreich seine Meinung teilen, wird sich auch daran ablesen lassen, wie viele bei Test- und Impfaktionen mitmachen werden. (luis, 18.12.2020)