Die Cobra, hier bei einer Übung in der Wiener Innenstadt Ende November, nahm vergangenen Freitag einen Terrorverdächtigen auf offener Straße fest.

Foto: APA / Roland Schlager

Es sind die umfangreichsten kriminalpolizeilichen Ermittlungen der Zweiten Republik. Seit dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vom 2. November, bei dem vier Menschen ermordet wurden und der Attentäter erschossen wurde, sind täglich bis zu 500 Ermittler der Strafverfolgungsbehörden mit der Aufarbeitung von Spuren sowie der Ausforschung von Komplizen oder Mitwissern beschäftigt. Vor allem die akribische Arbeit der Wiener Tatortteams hat nun zu zwei weiteren Festnahmen in der Bundeshauptstadt geführt.

Auf einer der Tatwaffen konnte eine DNA-Spur gesichert werden, die nicht vom 21-jährigen Attentäter stammt, sondern, wie sich herausstellte, von einem 26-jährigen österreichischen Staatsbürger mit afghanischen Wurzeln. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte am Sonntag einen entsprechenden Bericht der "Kronen Zeitung".

Auf offener Straße festgenommen

Zum zweiten neuen Verdächtigen gab es zunächst keine näheren Angaben – aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es hieß. Die beiden Festnahmen waren am Freitag erfolgt, in einem Fall durch ein Team der Cobra auf offener Straße. Die beiden Männer wurden am Sonntag in die Justizanstalt Josefstadt eingeliefert. Die Staatsanwaltschaft stellte Anträge auf U-Haft, diese sind beim Journalrichter eingelangt, hieß es seitens des Straf-Landesgerichts Wien. Von den 14 schon früher festgenommenen Personen befinden sich noch 13 in U-Haft.

Für alle Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung, doch die DNA-Spuren auf dem Maschinengewehr bringen zumindest einen davon nun erstmals in durch handfeste Indizien gestützten Erklärungsnotstand. Die Frage ist, wann und warum er dem verbotenen Sturmgewehr sehr nahe gekommen ist.

Nach wie vor ist offen, wie der Attentäter, der zuletzt in der Donaustadt wohnte, damals, am letzten Abend vor dem zweiten Corona-Lockdown, in die Innenstadt gelangt war. Dass er öffentliche Verkehrsmittel benutzte, gilt nach Auswertung aller zur Verfügung ste henden Überwachungskameras als unwahrscheinlich. Auch Nachforschungen bei Taxiunternehmen und Uber-Diensten verliefen erfolglos. Die Polizei geht davon aus, dass er zu Fuß ging oder chauffiert wurde.

Video mit AK-47

In diesem Zusammenhang sorgt ein neuerliches Video, das während einer Autofahrt aufgenommen wurde und ein auf dem Boden liegendes Maschinengewehr zeigt, für Aufmerksamkeit in sozialen Internetmedien. Schon kurz nach dem Anschlag kursierte ein derartiger Clip, auf dem aber keine Personen zu erkennen waren. Der neue Zehn-Sekunden-Clip, der anonym online gestellt wurde, ist mit dem albanischen Rap-Song "AK 47" unterlegt. Es könnte sich also um eine Anspielung auf die Tatwaffe – eine Kalaschnikow oder einen Nachbau – handeln.

Dass das kurze Video, auf dem zwei Personen schemenhaft wahrzunehmen sind, tatsächlich einen Ausschnitt der Fahrt zum Tatort zeigt, wird derzeit nicht ausgeschlossen, gilt aber eher als unwahrscheinlich. Der Staatsschutz versucht jedenfalls den Hersteller des Handy-Clips auszuforschen.

Gutheißung strafbar

Die Filmer riskieren übrigens, auch wenn sie mit dem Anschlag nichts zu tun haben, strafrechtliche Konsequenzen. Denn in Österreich stehen auf "Gutheißung terroristischer Straftaten" bis zu zwei Jahre Haft. Wenn Verhetzung dazu führt, dass Gewalt gegen Menschen ausgeübt wird, erhöht sich der Strafrahmen auf bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Zur Auswertung des Mobiltelefons, das nach dem Anschlag in der Nähe des Schwedenplatzes gefunden und dem Attentäter zugeschrieben wurde, gibt es noch keine Informationen. Stammt es tatsächlich von ihm, stellt sich die Frage, warum er es, um seine Spuren zu verwischen, nicht in den nahen Donaukanal geworfen hat, wo es wohl für immer verschwunden wäre. Dieses unbedachte Vorgehen stützt die Vermutung, dass der Anschlag ganz anders geplant gewesen sein könnte und der Attentäter, nachdem er sowohl bei der Synagoge in der Seitenstettengasse als auch bei der Ruprechtskirche vor verschlossenen Türen gestanden war, auf Passanten geschossen hat.

Verfassungsschutz braucht mehr Personal

Zur allgemeinen Sicherheitslage in Österreich wurde am Sonntag ein internes Mail des steirischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LVT) bekannt. Darin teil LVT-Chef Rupert Meixner, der derzeit auch den Wiener Verfassungsschutz interimistisch leitet, dem steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) mit, dass "solche Typen wie der Attentäter aus Wien auch in der Steiermark frei herumlaufen" und nicht überwacht werden könnten, weil es an Personal mangle. In dem Mail, das die "Krone" zuerst veröffentlichte, fordert Meixner allein für die Steiermark 25 Beamte mehr. (Michael Simoner, 20.12.2020)