Vorschau auf Österreichs Medienbranche 2021 – illustriert von STANDARD-Artdirector Armin Karner.

Illustration: Armin Karner / DER STANDARD

Dienstagabend bekommt der Kanzler wieder seine eigene ORF-Hauptabendshow. Um 21.05 Uhr ehrt Sebastian Kurz mit ORF-Chef Alexander Wrabetz und Krone-Chefredakteur Klaus Herrmann Lebensretter – Feuerwehrleute, Sanitäter und andere Helden im Blaulicht. Auf dem Sendeplatz des kritischen Politmagazins Report, dem Kurz vorige Woche das geplante Interview mit Hinweis auf Erkrankung absagte.

Alexander Wrabetz hat das Showformat für Sebastian Kurz 2018 als Rettungsmaßnahme in eigener Sache erfunden. Damals wollte die türkis-blaue Koalition mit der FPÖ den Sozialdemokraten mit einem neuen ORF-Gesetz vorzeitig von der Spitze des Küniglbergs entfernen.

Inzwischen arbeitet Wrabetz (60) eifrig daran, am 10. August 2021 ein drittes Mal wiedergewählt zu werden für eine vierte Amtszeit ab 2022. Als medialer Krisenmanager, der bei Hintergrundgesprächen des Kanzlers für Chefredakteure zur Corona-Lage gern zu dessen Rechten sitzt und wissend schweigt. Und ein bisschen arbeitet er daran auch noch mit den Lebensrettern.

Wieder Wrabetz erwartet

In der Etat-Branchenumfrage über die Erwartungen für 2021 rechnen 41 Prozent der Antwortenden mit Wrabetz' Wiederwahl 2021. 14 Prozent wünschen sie sich, zwölf Prozent kreuzten "Bitte nicht!" an.

Mehr Abstimmungsergebnisse – über GIS für alle, auch die Streamer, über mehr Online-Möglichkeiten für den ORF, über weitere Corona-Medienförderung und Digitalförderung, Qualitätskriterien und Informationsfreiheit – finden Sie unten in den Grafiken.

Ergebnisse der Etat-Branchenumfrage zu ORF-Wahl, Strukturreform auf dem Küniglberg, Digitalnovelle und Haushaltsabgabe statt GIS.

Demner, Sicheritz, Totzauer

Der Medien-Branchendienst derStandard.at/Etat lädt Managerinnen und Manager aus der Medien- und Kommunikationsbranche, Journalisten und Journalistinnen, Mediensprecher und -expertinnen, Wissenschafter und Wissenschafterinnen und Branchenkundige zur Prognose ein. Den Online-Fragebogen und weitere Auswertungen finden Sie auf http://derStandard.at/Etat. Dort erscheinen nun täglich Prognosen jener Menschen, die namentlich antworteten. Wie Mariusz Jan und Marcello Demner (Demner, Merlicek & Bergmann), Lisa Totzauer (ORF), Markus Breitenecker (ProSiebenSat1Puls4), Regisseur Harald Sicheritz, Richard Schmitt, der 2021 nach dem Abschied von Oe24 eine neue Onlineplattform plant, die Mediensprecher Eva Blimlinger (Grüne) und Thomas Drozda (SPÖ), Helmut Brandstätter von den Neos, Erwin Hameseder von Raiffeisen.

55 haben den Etat-Fragebogen beantwortet – ein gutes Drittel nützte die Möglichkeit, das anonym zu tun. Sie soll erleichtern, noch deutlichere Worte zur Branche zu finden. Wobei viele auch unter ihrem Namen recht deutlich wurden. Wie Matthias Settele, Generaldirektor des größten slowakischen TV-Senders Markíza: "Pleiten, Merger, Kooperationen … nichts bleibt, wie es war", sagt der Niederösterreicher den hiesigen Medien voraus.

Ergebnisse der Etat-Branchenumfrage zu Medienförderungen.

"Radikale Erneuerung"

Daniela Kraus (Presseclub Concordia) skizziert 2021 im Schnelldurchlauf so:

· "Die radikale Erneuerung von Produkten, Erlösmodellen und Verhältnis zum Publikum wird immer dringlicher, aber nicht in ausreichendem Maße bearbeitet. Weil a) Ressourcen fehlen und b) Erlösausfälle und damit die Dringlichkeit durch Sonderförderungen und Regierungsinserate abgefedert werden."

· "Der Druck durch aufgerüstete PR- und Kommunikationsapparate in Politik und Wirtschaft steigt weiter. Besonders, weil die Redaktionen weiter schrumpfen."

· "Angriffe auf Journalist*innen und Medien durch Spinner und rechte Agitatoren steigen weiter und werden sichtbarer."

· "Die ORF-Wahl lähmt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, es gibt keine relevanten und demokratiepolitisch sinnvollen Reformen."

· "Es gibt ein neues Informationsfreiheitsgesetz, aber es bleibt durch die Bedenken und den Druck auskunftspflichtiger Stellen (bis auf Gemeindeebene) unter den Erwartungen. Journalist*innen und Redaktionen nützen es dann ohnehin nicht in dem Maße, wie es sinnvoll und möglich wäre."

Ergebnisse der Etat-Branchenumfrage zu den Medien und ihren Eigentumsverhältnissen in einem Jahr – und zu Neugründungen.

"Härter als 2020"

Die gesamtwirtschaftliche Aussicht gilt naturgemäß auch für Medien: "2021 wird aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch härter als 2020, die Werbespendings geraten noch mehr unter Druck, und der Kampf um jeden Werbeeuro wird noch härter", erwartet Privatradiovermarkter Joachim Feher (RMS) wie viele.

Georg Unger, branchenkundiger Personalberater (NGS): "Covid-19 wird uns trotz Impfung noch länger begleiten. Das bedeutet, dass viele Unternehmen einen Sparkurs fahren müssen. Viele werden Mitarbeiter abbauen, und manche werden die Krise nicht überleben."

"In der zweiten Jahreshälfte entspannt sich dann die Lage etwas", prognostiziert Joachim Krügel (Media 1). Aber: "Bis dahin ist die Medienwirtschaft so geschädigt, dass spätestens dann jeder Pläne für den Wiederaufbau machen muss."

Die Umsatzerwartungen größerer Medienhäuser

Markus Breitenecker, Gründer und Geschäftsführer von ProSiebenSat1Puls4, dem größten Privatfernsehkonzern in Österreich, beschreibt die wirtschaftliche Perspektive so: "Wir gehen davon aus, dass wir die negativen Auswirkungen von Corona auch 2021 spüren werden und das Niveau von 2019 noch nicht erreicht werden wird. Wir hoffen, dass sich die Lage für die Jahre nach 2021 dann wieder deutlich verbessert."

Mehrere Manager großer österreichischer Medienhäuser, die sich an der Etat-Umfrage lieber anonym beteiligten, sehen die Umsätze 2021 etwa auf dem Niveau von 2020. Im gerade ablaufenden Jahr seien die Werbeerlöse um rund 15 Prozent zurückgegangen, die Vertriebserlöse stabil geblieben. Ein Manager beschreibt seine Erwartungen für die Umsatzentwicklung 2021 so: "Erstes Halbjahr 2021 wie 2020 und zweites Halbjahr wie 2019."

GIS-Erhöhung mit 2022

Österreichs weitaus größter Medienkonzern ORF rechnet 2021 mit stabilen Werbe-Erlösen (206,3 nach zuletzt für heuer erwarteten 205,3 Millionen) und zart steigenden Einnahmen aus den GIS-Gebühren (646,7 nach 644,9 Millionen).

Die nächste Erhöhung/Anpassung der GIS-Gebühren steht im Herbst 2021 an, nach der Bestellung von ORF-General und ORF-Direktoren. Wirksam wird sie spätestens ab April 2022 – fünf Jahre nach der letzten um 6,5 Prozent.

Etat fragte in seinem Fragebogen auch Prognosen über die Höhe der GIS-Erhöhung ab – sie bewegen sich zwischen Null und zehn Prozent. Medienberater Peter Plaikner rechnet auf der Basis der Inflationsraten von 2015 bis 2020 mit rund fünf Prozent – "6,5 Prozent wie 2017 dürften diesmal eher nicht mehr drin sein."

Ergebnisse der Etat-Branchenumfrage zu "Krone"-Gesellschafterstreit und den Auflagen der Gratiszeitungen.

"Falsche Feindbilder"

Lisa Totzauer, Channel-Managerin für ORF 1, lässt die Etat-Fragen nach der ORF-Führung ab 2022 offen. Sie empfiehlt "volle Konzentration auf das, was wir alle am besten können: Österreich mit österreichischen Inhalten versorgen." Digitalriesen wie Amazon, Facebook und Youtube scheinen ihr aber die "falschen Feindbilder". Totzauer: "Es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig bekriegen, und es bringt auch nichts, in Konkurrenz mit den ,Großen‘ zu treten – ihr Geschäft ist ein anderes als unseres."

Der ORF will 2021 seine große Streamingplattform, bekannt als "ORF-Player", starten. Dass Online-Beschränkungen des ORF-Gesetzes vor dem Sommer fallen, wünschen sich 41 in der Etat-Umfrage, 22 Prozent rechnen damit im ersten Halbjahr. Noch geht es da medienpolitisch um Benefits für andere Player, wenn der ORF mehr darf. Was bekommen andere Medien, fragte Etat. Pointierte anonyme Antwort: "Weniger Werbeeinnahmen."

Breitenecker (ProSiebenSat1Puls4) hofft da weiterhin auf einen "gemeinsamen Streamingplayer der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender in Österreich" und "keine Alleingänge für digitale Freiheiten des ORF".

Und was erwartet Eva Blimlinger, die als Mediensprecherin der Grünen die Regierungspolitik dazu mitverhandelt, für 2021?

Jedenfalls neuer General

"Es wird ein Digitalisierungstransformationsgesetz geben, vermutlich weitere Corona-Hilfen, Presse- und Publizistikförderung werden diskutiert, die Diskussion über Medienförderung hoffentlich anhalten und sich verdichten."

Blimlinger: "Es wird jedenfalls einen neuen Generaldirektor oder eine Generaldirektorin im ORF geben. Ich fürchte, dass alle Diskussionen und Vorhaben in den Hintergrund treten, sobald Diskussionen, Gerüchte, Mutmaßungen über einen Generaldirektor oder eine Generaldirektorin des ORF beginnen. Ab September schaut es dann wieder anders aus."

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 22.12.2020)

Den kompletten Fragebogen sowie weitere Fragen und Antworten von Teilnehmerinnen und Teilnehmern finden Sie in den nächsten Tagen im Schwerpunkt zur Etat-Prognose 2021, sie werden nun laufend veröffentlicht.