Aufputschmittel, die die Aufmerksamkeit erhöhen sollen, gibt es bereits einige. Zu einem "Übermenschen" wird man damit aber nicht.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Manchmal kann Lernen mühsam sein. Rund 480 Stunden brauchen wir laut US Foreign Service Institute, um Französisch, Spanisch oder Italienisch nur auf einfachem Niveau sprechen zu können – das sind mehr als drei Monate, wenn wir jeden Tag fünf Stunden fürs Lernen aufwenden. Beim Klavierspielen kann es, je nach Übung, mehrere Monate dauern, bis wir die ersten kleinen Stücke fehlerfrei spielen.

Wie schön wäre es da nicht, den Prozess ein wenig beschleunigen zu können. Eine kleine Pille, die uns innerhalb weniger Tage zu Klaviervirtuosen macht, mit der wir Sprachen nach ein paar Stunden beherrschen und die uns kein Detail des Gelernten mehr vergessen lässt. Kann es eine solche Pille eines Tages geben?

Zumindest im Film gibt es die "Superdroge" bereits. "Weißt du, dass wir nur 20 Prozent unseres Gehirns verwenden können?", sagt der Drogendealer zu dem verzweifelten Schriftsteller Eddie Morra im US-amerikanischen Film "Ohne Limit" aus dem Jahr 2011. "Damit hast du Zugang zu hundert Prozent", sagt er und legt eine der weißen Pillen vor ihm auf den Tisch. Mithilfe der fiktive Droge NZT-48 schreibt Morra sein Buch in vier Tagen fertig, verdient durch Daytrading an der Börse Millionen und kann sogar seine Beziehung zu seiner Ex-Freundin wiederbeleben.

LEONINE Studios

Aufputschmittel

Eine Droge wie NZT-48 gibt es im echten Leben noch nicht. Sogenannte "intelligente Drogen", die die Leistungs- und Lernfähigkeit verbessern sollen, werden aber schon seit Jahren – oft illegal – vertrieben. Darunter fallen etwa Aufputschmittel wie Modafinil, Amphetamine wie Adderall oder das gegen Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzte Medikament Methylphenidat, besser bekannt unter dem Namen Ritalin, das besonders von Studenten weltweit immer öfter zur Prüfungsvorbereitung eingenommen wird.

Mit einer wirklichen Intelligenzsteigerung haben diese Mittel laut Neurobiologen aber wenig zu tun. Statt die Wahrnehmung dauerhaft zu erweitern, sollen sie lediglich dabei helfen, sich besser zu konzentrieren und "wacher" zu sein – so wie das auch Koffein im Kaffee macht. Ein Lehrbuch in einer Nacht auswendig lernen oder eine Sprache innerhalb weniger Tage beherrschen ist damit aber noch lange nicht möglich. Zudem besteht die Gefahr, abhängig zu werden und zu viel von den Medikamenten einzunehmen, warnen Gesundheitsexperten. Auch Nebeneffekte wie Kopfschmerzen oder Angststörungen sind nicht ausgeschlossen.

Gehirn "formen"

Trotz dieser Schwierigkeiten forschen einige Neurowissenschafter bereits an Möglichkeiten, unser Gehirn noch weiter zu verbessern. Das Gehirn soll so "geformt" werden, dass wir uns besser an Dinge erinnern können, unsere Emotionen stärker unter Kontrolle haben, kreativer sind und komplexe Probleme lösen können.

Dafür könnten etwa bestimmte Areale des Gehirns mithilfe von Magnetfeldern stimuliert werden, wie es bereits vereinzelt bei der Behandlung von Epilepsie oder Schizophrenie gemacht wird – in Kombination mit Drogen zur Leistungssteigerung.

Headset für Gedächtnis

Das kalifornische Start-up Humm entwickelte beispielsweise den Prototypen eines "Headsets", genannt "Edge", das wie ein schwarzes Stirnband aussieht und die Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsleistung verbessern soll. Mittels kleiner elektrischer Impulse soll die Aktivität im präfrontalen Kortex angeregt werden, jenem Teil des Gehirns, der für die Entscheidungsfindung und das Kurzzeitgedächtnis eine zentrale Rolle spielt. Nutzer sollen das Band 15 Minuten lang tragen, um dann ihr Arbeitsgedächtnis für 90 Minuten zu verbessern.

Das Headset "Edge" des Start-ups Humm soll das Arbeitsgedächtnis ankurbeln.
Foto: HUMM

Im Arbeitsgedächtnis werden Informationen vorübergehend gespeichert, etwa während des Lesens oder Schreibens. Wie viele Informationen so gespeichert werden können, ist normalerweise stark begrenzt. Die Stimulierung über das Headset könne laut Herstellern dabei helfen, die Anzahl der Informationen im Arbeitsgedächtnis zu erhöhen und die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, womit man sich gerade beschäftigt. Allerdings sind auch dabei Nebenwirkungen wie vorübergehende Sehstörungen nicht ausgeschlossen.

Wundermittel Modafinil?

Ähnlich verhält es sich bei dem Medikament Modafinil, das für einige als vielversprechende Basis für eine mögliche NZT-48-"Superdroge" gilt. Modafinil wird offiziell als Medikament gegen Narkolepsie eingesetzt. Mittlerweile wird es aber auch von der US-Airforce verwendet, um Piloten wach und konzentriert zu halten. Auch Astronauten der Internationalen Raumfahrtstation nehmen das Medikament gegen das Gefühl von Jetlag.

Zudem kann Modafinil die Fähigkeit verbessern, neue Informationen aufzunehmen und diese besser zu speichern, sowie die Aufmerksamkeit erhöhen – all das nicht ohne Nebenwirkungen und nur rezeptpflichtig. Zu einem "Übermenschen" wird man durch Modafinil aber nicht. Im Gegensatz zur NZT-48 könnte sich das Medikament einer Studie zufolge sogar negativ auf die Kreativität auswirken.

LSD als Alternative?

Als Alternative für mehr Kreativität haben einige Menschen begonnen, sich winzige Dosen von LSD zu verabreichen. LSD erhöht die Neuroplastizität des Gehirns und dessen Fähigkeit, neue Verknüpfungen herzustellen. Wissenschafter warnen aber vor dem gefährlichen Suchtpotenzial und dem Risiko von Psychosen.

Gefährliche Nebenwirkungen

Eine Kombination aus Modafinil und LSD würde zwar theoretisch viele der Wirkungen der NZT-48 abdecken, käme aber einigen Experten zufolge höchstwahrscheinlich mit gefährlichen Nebenwirkungen. Schließlich ist das Gehirn höchst komplex und empfindlich. Verbessert eine Droge die Fähigkeiten eines bestimmten Teils der Wahrnehmung, können dabei andere vernachlässigt und sogar beschädigt werden, befürchten Neurologen.

Wer seine ganze Aufmerksamkeit mithilfe von Medikamenten auf eine Aktivität lenkt, schränkt zudem die Mitwirkungen andere Hirnregionen im Denkprozess ein. Die Frage, wie weit wir unsere Denkleistung und Wahrnehmung verbessern können, ohne unser Gehirn nachhaltig zu beschädigen, wird wohl bei der Entwicklung neuer "intelligenter" Drogen eine wichtige Rolle spielen.

Nur für bestimmte Aufgaben

Tatsächlich wird es aber wohl noch einige Zeit dauern, bis es so etwas wie eine Super-Intelligenz-Droge gibt. Die Entwicklungen zeigen eher in die Richtung, dass bestimmte Substanzen bestimmte Funktionen für bestimmte Aufgaben verbessern können: vielleicht für eine begrenzte Zeit ein wenig schneller schreiben und lesen, ein wenig mehr Aufmerksamkeit, ein schnelleres Arbeitsgedächtnis für bestimmte Tätigkeiten.

Das alles jedoch mit der Gefahr von Nebenwirkungen und Abhängigkeit und – im Vergleich zur fiktiven Pille NZT-48 – wohl ohne Verbesserungen für zwischenmenschliche Beziehungen, ohne Nutzen für die (Wieder-)Belebung der Partnerschaft und ohne uns alle zu Einsteins zu machen.

Glücklicherweise gibt es schon jetzt eine Alternative zur Verbesserung der Gehirnleistung, die ohne chemische Substanzen und elektrische Impulse von außen auskommt: körperliche und geistige Betätigung, genügend Schlaf, nicht zu viel Stress. Diese Faktoren reduzieren erwiesenermaßen Depressionen und das Alzheimer-Risiko. Sport und Sprachenlernen mögen mühsam sein – in ihrer Wirkung für das Gehirn sind sie jeder Droge aber um Längen voraus. (Jakob Pallinger, 27.12.2020)