Wir alle fühlen uns im Lockdown eingesperrt. Nicht ins Café oder Gasthaus dürfen, kein Zusammensein mit Freundinnen und Freunden, keine Möglichkeit, ins Theater zu gehen oder ins Ausland zu reisen. Obwohl viele von uns zur Arbeit gehen und wir Spaziergänge machen, fühlt es sich doch nach einer starken Beschränkung an. Social Media und Smartphone bekommen noch mehr Bedeutung als in gewöhnlichen Zeiten.

Apropos Smartphone: Wenn wir unser Smartphone verlegen, bringt uns das schnell aus der Fassung. Suchen wir es eine Viertelstunde lang vergeblich, macht das die meisten von uns nervös. Haben wir das Handy zu Hause vergessen, dann stört das in der Regel unseren Tagesablauf im Job oder auf der Uni: Kontaktdaten sind nicht zur Hand, wir können Nachrichten von Kollegen, Kindern, Partnern, Eltern nicht empfangen.

Eingesperrt

Hält man sich all das vor Augen, wird schnell klar, was eine Haftstrafe heute bedeutet: eingesperrt in einen kleinen Raum, im besten Fall in eine Wohngemeinschaft. Für Monate. Oder Jahre, manchmal viele Jahre. Abnabelung von der Welt, vor allem von der eigenen Welt, der Familie, von Freundinnen und Freunden. Rund 9.000 Menschen sind in Österreich in Haft, rund 2.000 davon in Untersuchungshaft, der Rest als verurteilte Täterinnen und Täter im Strafvollzug oder im Maßnahmenvollzug für psychisch kranke Straftäterinnen und Straftäter.

Gefängnis bedeutet, eingesperrt zu sein. In den einzelnen Justizanstalten herrschen unterschiedliche Bedingungen, allein aufgrund der räumlichen Gegebenheiten. Sehr verbreitet ist die Unterbringung in Mehrbettzellen, obwohl Europaratsstandards ein Recht auf Einzelunterbringung vorsehen. Untertags gibt es öfter die Möglichkeit, sich in einem größeren Gangbereich frei zu bewegen. Der Personalmangel der Justizanstalten führt aber zu langen Einschlusszeiten – viele Insassen sind also 16 Stunden am Tag in der Zelle eingeschlossen. Das bedeutet, die meiste Zeit auf engem Raum zu verbringen – Fernsehkonsum wird zur Hauptablenkung und Hauptbeschäftigung. Das Abendessen wird oft am späten Nachmittag ausgegeben, das Licht zu früh abgedreht.

Justizanstalt Wien-Simmering.
Foto: Robert Newald(Robert Newald Photo)/derstandard

Ausgeschlossen vom Internet

Immer wieder werden Smartphones in die Gefängnisse geschmuggelt. Die Regel aber ist: Gefängnisinsassen haben weder Smartphone noch Internetzugang. Damit entfällt das, was sonst zu unser aller Leben gehört: Fotos der Kinder und Partner zu erhalten, auf Social Media mitzuverfolgen, was Freunde und Angehörige so machen. Es entfällt die Möglichkeit, Onlinemedien zu konsumieren oder sich im Internet fortzubilden, vielleicht sogar ein Fernstudium zu absolvieren. Auf diese Weise unterscheiden sich das Leben in und außerhalb des Gefängnisses noch stärker voneinander, als das in früheren Zeiten der Fall war: Zum Abgeschnittensein von der realen Welt mit ihrer hohen Geschwindigkeit und Mobilität kommt noch der Ausschluss aus der digitalen Welt. Häftlinge müssen so zwangsläufig den Anschluss verlieren: an ihre Familie, ihre Partner, an die Entwicklung der Welt. All das macht den Wiedereinstieg in den Alltag nach der Haftentlassung unnötig schwierig. An den Feiertagen wird das deutlich: irgendwann ein kurzer persönlicher Besuch im Gefängnis, aber keine Möglichkeit, SMS zu empfangen, Smileys zu schicken, über Video zu telefonieren. Kein E-Mail, kein Whatsapp, kein Facebook oder Insta.

Diese Rahmenbedingungen erschweren die Resozialisierung und erhöhen die Rückfallgefahr. Erste Staaten haben das erkannt und überlegen, wie man, die Missbrauchsgefahr gering haltend, Häftlingen den Zugang zu Internet und Smartphone ermöglichen kann. Die Schweiz und Frankreich arbeiten an Pilotprojekten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht kein allgemeines Recht auf Internetzugang für Häftlinge, gewährt den Zugang aber in begründeten Einzelfällen. Jedoch: Die Rechtsprechung ist wohl im Fluss. (Oliver Scheiber, 8.1.2021)