Illustrierte Kronen Zeitung vom 24. Dezember 1920

Wenn die Elektrische stillsteht. Die Wirkungen eines Kabelbrandes.

ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Der Tag, an dem der Winter seinen kalendarisch festgesetzten Einzug hielt, war für die Wiener Bevölkerung mit außerordentlichen Widerwärtigkeiten verbunden. Man hat ja heute nicht viel Freude von dem ganzen Kalender, wie er sich Monat für Monat, Jahr für Jahr abrollt. Aber am Mittwoch begannen die Unannehmlichkeiten schon zeitlich am Morgen. Durch den Kabelbrand in Simmering gerieten die Wagen der Elektrischen in der ganzen Stadt ins Stocken. Anfangs meinte man es sei ein Streik ausgebrochen, nur widerwillig verließen die Fahrgäste die Wagen, nachdem sie ein längeres Warten belehrt hatte, daß vorläufig an eine Weiterfahrt nicht zu denken sei. Später wurde der Verkehr wieder aufgenommen, aber kurze Zeit darauf stand die Elektrische wieder still, und erst am Abend war der Verkehr wieder normal.
Die Autobusse mußten während des Stillstandes der Elektrischen dem Verkehrsbedürfnis einer Großstadt genügen. Die Wagen, die sonst auf weniger frequenten Linien nur mit einzelnen Passagieren zu fahren pflegen, sahen einen Massenandrang, wie er nicht einmal bei schlechtestem Wetter zu verzeichnen ist. Es gab förmliche Kämpfe um die Autobusplätze, und die sonst wenig beliebten offenen Dachsitze, die gar zu luftig sind, waren heißumstrittener Boden. Es siegten die Stärkeren, die anderen mußten sich entschließen, auf den nächsten Autobus zu warten oder den Weg zu Fuß fortzusetzen. Auch die elektrische Beleuchtung versagte infolge des Kabelbrandes. In einigen großen Kaffeehäusern saßen die Gäste bei armseligem Kerzenlicht, und auch in vielen Geschäftsläden mußten einige schnell herbeigeschaffte Kerzen die
elektrische Beleuchtung ersetzen.

Neues Wiener Journal vom 14. Dezember 1920

Die Reinlichkeit in der Hauswirtschaft
Ein unerschwinglicher Luxus
Von Klara Mautner

Daß die Seife teurer geworden ist, haben — so glaube ich wenigstens — sogar schon die Professoren der klassischen Sprachen entdeckt. Aber daß es mit Seife nicht getan ist, daß eine Anzahl von Putz- und- Scheuermittein dazu gehört, um eine Hauswirtschaft wirklich sauber zu hatten, ist eine Tatsache, die den meisten Herren der Schöpfung noch durchaus unklar ist. Darauf ist es teilweise auch vielleicht zurückzuführen, daß die Preise dieser Bedarfsartikel schrankenlos ins Ungemessene steigen. Hier einzugreifen erscheint den Maßgebenden nicht für notwendig, einerseits weil sie die Verwendung dieser Putzmittel nur für eine Art haufraulichen Aberglaubens, für eine „Uebertriebenheit" ansehen, anderseits weil sie keine Vorstellung davon haben, in wie hohem Grad das Budget des kleinen Haushaltes durch die Wucherpretse belastet wird. Diese Verständnislosigkeit macht sich natürlich auch beim einzelnen fühlbar.
Beim Monats- oder Wochenabschluß heißt es dann immer wieder: „Ich weiß nicht, wozu du soviel Reibsand brauchst. Meine Mutter war doch sicher eine reine Frau, aber ich kann mich gar nocht erinnern, daß sie Geld für Sand ausgegeben hätte." Natürlich täuscht den Wackeren hier sein Gedächtnis. Auch seine Mutter hat Sand gebraucht, aber die Beträge dafür waren so lächerlich gering, daß sie überhaupt nicht in Betracht kamen. Man kaufte beim „Sandmann", der ungefähr alle vier oder sechs Wochen vor dem Hause erschien, um zwei Kreuzer Sand und war bis zum nächsten Auftreten des ehrsamen Wenzel reichlich versorgt. Das „Maßl" (es dürfte ein halber Liter gewesen sein) kostete vier Heller und um vier Kronen hätte man einen Waschtopf voll Sand haben können. Jetzt scheint der Sand zu den Kostbarkeiten der Erde vorgerückt zu sein. Er wird nur mehr in Paketen verkauft und ein halbes Kilogramm kostet eine Krone. Wem das zu teuer ist, der muß entweder die Böden der Kochtöpfe mit den Fingernägeln rein kratzen oder er muß sich den Sand von der Straße holen, der sorgsam von allen Hunden der Nachbarschaft begossen wurde.

Dieser Ausweg steht beim Soda leider nicht offen, sonst würde ihn wohl so manche Hausfrau allen Bedenken zum Trotz gehen. Denn ein Kilo Soda kostet 17 Kronen, sage und schreibe siebzehn Kronen. Bei jeder „Wäsche" und bei jedem größeren Scheuerfest ging in Friedenszeiten ungefähr ein Kilogramm auf. Man reduziert die Menge jetzt auf die Hälfte. Eine weitere Beschränkung läßt sich nur durch eine unsinnige Vergeudung an Arbeit durchführen. Selbstverständlich sind die Sodaersätze, als feinere Präparate, immer noch ein bißchen teurer. Und wenn das Geschirr waschen immer ein Genuß war, so ist das Geschirrwaschen ohne Seife und Soda natürlich für die Hausfrau sogar ein Hochgenuß.
Ist das Geschirr gewaschen, so bleiben noch die Messer und der Herd zu putzen. Dabei bedient man sich des bekannten Schmirgelpapieres, von dem ein Bogen vor dem Kriege acht Heller kostete. Damals bekam man das Schmirgelpapier auch in jedem gewünschten Grade der Grobheit oder Sanftmut und konnte für den Herd das körnige, für das Besteck das feine verwenden. Jetzt gibt es überhaupt nur das letztere mehr und da man nicht jeden Tag einen halben Bogen verbrauchen kann — das Stück kostet 3 Kronen 50 Heller —, scheuert sich die Hausfrau die Finger wund.
Aber selbst wenn die Männer in ihrer seligen Ahnungslosigkeit alle diese Ausgaben als überflüssig erachten sollten, so werden sie doch zugestehen müssen, daß Schuhputzmittel erforderlich sind. Die letzte Schachtel mit Schuhcreme, die ich erstand, kostete 24 Kronen; wie hoch diese edle Mischung heute im Preis steht, vermag ich nicht zu sagen. Bis ich es erfahre, werde ich sicherlich die dreimal ansgewischte Büchse noch ein viertesmal auswischen und mich zu überzeugen wissen, daß die Schuhe ebenso schön werden, weenn man keine Wichse nimmt und dafür ein paar Minuten länger bürstet. Das kostet ja nur mehr Zeit. „Nur" Zeit — das Kostbarste, was der Mensch besitzt.
Nun kommen noch die Kleinigkeiten. Metallputzpasta ist schon um 27 Kronen zu haben, ein Fläschchen Waschblau kostet 9 Kronen 70 Heller, ein Stückchen „Ofenschwarz", um die Herdplatte zu schminken, 6 Kronen, während Kleesalz, ein Schönheitsmittel für die Wasserleitungsmuschel, nur 2 Kronen 40 Heller beansprucht. Dabei wird schließlich auch die sorgsamst gepflegte Zimmerbürste einmal schadhaft, ein Reibtuch versagt den Dienst, um von jenen Katastrophen ganz zu schweigen, durch die ein Besen dienstuntauglich wird.
Wenn man diese Beträge zusammenzählt, wird man zum selben Ergebnis kommen wie ich: Reinlichkeit ist für den kleinen Haushalt ein unerschwinglicher Luxus geworden.

Jugend | Heft 52 - 1920

Heilige Nacht

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Meggendorfer Blätter | Nr. 1565 vom 23. Dezember 1920

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