Das ominöse Signal war mit dem australischen Parkes-Observatorium registriert worden. Als man ein zweites Mal hinhörte, war es wieder weg.
Foto: CSIRO

Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich auf der Suche nach einem bestimmten TV-Beitrag durch mehrere Milliarden Sender klicken. Sie wissen nur, dass die Sendung wichtig ist – worum es genau geht, ob man sie vielleicht schon versäumt hat und ob es Wiederholungen geben wird, ist dagegen völlig unklar. Wenn Sie das schon für ein hoffnungsloses Unterfangen halten, dürften Sie vermutlich nicht genug Geduld und Optimismus für die Suche nach potenziell außerirdischen Signalen aufbringen.

Wer E.T.s Nachrichten finden will, muss sich durch ein ziemlich breites Frequenzband permanent auf uns niederprasselnder Strahlung wühlen. Wie also kann man eine solche Mammutaufgabe am effizientesten bewältigen? Bisherige SETI-Programme ("Search for extraterrestrial intelligence") haben für ihre Suche nach dem einen Signal auf unterschiedliche Strategien gesetzt.

Kontaktfreudige Zivilisationen denken (vielleicht) mit

Einige gingen von der Voraussetzung aus, dass sich eine kontaktfreudige Zivilisation sehr wohl klar ist über die Schwierigkeiten einer Funkverbindung über Lichtjahre hinweg. Wenn keiner der Beteiligten weiß, wann er auf welcher Frequenz sendet und empfängt, sollte man sich vielleicht Bereiche des Spektrums suchen, wo es etwas ruhiger zugeht und ein künstliches Signal eher auffällt. Für das im vergangenen März eingestellte SETI@home-Programm der Universität Berkley beispielsweise scannten die Homecomputer hunderttausender teilnehmender Citizen Scientists simultan 28 Millionen von insgesamt zwei Milliarden Radiokanälen im sogenannten Mikrowellenfenster, einem Frequenzbereich zwischen ein und drei Gigahertz, in dem sich mögliche Signale leichter aufspüren lassen.

Einer weiteren anthropomorphen Logik folgt die Hypothese, dass auch für andere intelligente Lebensformen im All Wasser eine herausragende Rolle spielt. Aus der riesigen Auswahl an möglichen Frequenzbändern könnten sich die Bewohner fremder Welten zum Senden daher vielleicht den Bereich zwischen den Emissionslinien von atomarem Wasserstoff und dem Hydroxyl-Radikal OH aussuchen.

Energiereich, schmalbandig und mit interessantem Ursprung

Diese Zone zwischen 1,42 bis 1,64 Gigahertz wird jedenfalls von den Wissenschaftern als besonders aussichtsreich befunden. Unterm Strich sollte eine künstliche Nachricht aus dem All also energiereich genug sein, um das allgegenwärtige Strahlungshintergrundrauschen zu übertönen, und am besten auch aus der Richtung eines Systems kommen, in dem Leben zumindest eine Möglichkeit darstellt.

Die SETI-Initiative "Breakthrough Listen" ist nun auf ein Signal gestoßen, das einige dieser Kriterien zu erfüllen scheint. Das von dem israelisch-russischen Milliardär Juri Milner mit rund 100 Millionen Euro finanzierte Programm "klickt" sich seit 2015 durch hunderttausende Sternsysteme und Galaxien auf der Suche nach spannenden Sendungen. Wie der britische "Guardian" nun berichtete, wurden die Forscher in den Daten einer 30-stündigen Lauschaktion Ende April 2019 mit dem australischen Parkes-Observatorium womöglich fündig.

BLC1 unter der Lupe

Für Sofia Sheikh von der Penn State University, die für die bisherigen Analysen der Daten zuständig war, sei das äußerst schmalbandige Signal in einem Frequenzbereich von 982 Megahertz "das aufregendste, das wir im Projekt Breakthrough Listen entdeckt haben" – nicht zuletzt auch deshalb, weil es aus Richtung des Nachbarsterns Proxima Centauri stammt. In dem nur 4,25 Lichtjahre entfernten Zwergsternsystem existiert mindestens ein kleiner Felsplanet, der auch in der lebensfreundlichen Zone des Zentralgestirns kreist, wo Wasser flüssig sein könnte. Freilich könnte das Signal aber auch von überall auf dieser Richtungsachse kommen.

Intern wird der spannende Fund mittlerweile als BLC1 für "Breakthrough Listen Candidate 1" bezeichnet – ob es authentisch ist und kein Artefakt im Datenmeer oder ob es überhaupt von jenseits des Sonnensystems stammt, bedarf noch eingehender Untersuchungen, meint Andrew Siemion von der University of California (Berkeley), Leiter von Breakthrough Listen. "Das Signal hat aber einige Eigenschaften, aufgrund derer es bereits zahlreiche Kontrollpunkte für ein SETI-Signal bestanden hat", so Siemion gegenüber "Scientific American". "Wir kennen jedenfalls keine natürliche Möglichkeit, elektromagnetische Energie in eine derart eingeschränkte Frequenz zu zwängen."

Proxima Centauri b kreist am inneren Rand der habitablen Zone seines Heimatsterns.
Grafik: APA/AFP/EUROPEAN SOUTHERN OBSERVATORY

Und noch etwas macht das Signal besonders spannend: Es hat den Anschein als würde seine Frequenz leichten regelmäßigen Schwankungen unterworfen, so als würde sich ein Sender auf uns zu und wieder von uns wegbewegen. Ein solcher Effekt ließe sich etwa feststellen, wenn das Signal von einem rotierenden Objekt käme, das wiederum ein anders Objekt, zum Beispiel einen Stern, umkreist.

Noch viele Hürden zu nehmen

BLC1 könnte sogar sogenannte "Technosignaturen" enthalten, Hinweise, dass sich in dem Signal Informationen verstecken könnten. Der SETI-Astronom Jason Wright von der Penn State University" schreibt in seinem Blog "AstroWright", dass BLC1 kein perfektes Schmalbandsignal sei. Gleichsam an den Seiten befänden sich Erweiterungen, was auf eine Signalmodulation schließen lässt – BLC1 sei demnach nicht nur bloß ein "Wählton" oder eine "Türglocke". Dennoch seien gerade deshalb die Chancen sehr gering, dass der "Anruf" tatsächlich von Proxima Centauri kommt. Vielmehr, so Wright, dürfte sich am Ende herausstellen, dass das Signal zwar wirklich künstlich ist, aber von der Erde stammt.

Bevor also von einem ernstzunehmenden Kandidaten für ein SETI-Signal gesprochen werden kann, müssen vor allem mögliche irdische technologische Quellen, und dazu gehören auch Satelliten, ausgeschlossen werden. Auch die Überprüfung von potenziellen Fehlerquellen in den Daten ist noch ausständig. Erst wenn das Signal all diese Hürden erfolgreich überwunden hat, kann man Algorithmen darin nach einem möglichen sinnvollen Inhalt oder einem Muster suchen lassen. Die ersten offiziellen Analyseergebnisse zum BLC1 sollen Anfang 2021 veröffentlicht werden. (Thomas Bergmayr, 22.12.2020)