TV-Generaldirektor von Markíza in Bratislava in Pendeldistanz von Baden bei Wien: Matthias Settele.

Foto: TV Markiza Illustration: Armin Karner

Matthias Settele (Generaldirektor TV Markíza) im Etat-Fragebogen zur Medienprognose 2021

Was erwarten Sie von 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? derStandard.at/Etat hat Medienmanager*innen, Journalist*innen und Expert*innen aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten.

Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir nun in den nächsten Tagen.

"Nichts wird sein wie vorher"

Hier die Prognosen von Matthias Settele, Generaldirektor des größten TV-Senders in der Slowakei, des privaten TV Markíza, für Österreichs Medienlandschaft – der niederösterreichische TV-Profi arbeitete zuvor schon für ORF, RTL Group und CME, sein slowakischer Sender wurde zuletzt vom tschechischen Milliardär Petr Kellner übernommen:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen über Entwickungen, Herausforderungen ...!

"Parallel zum Pandemiegeschehen wird sich die Werbewirtschaft erholen. Und dennoch wird nichts sein wie vorher: Streaming is on the rise, online und digital ist ein Muss, und TV muss sich verändern, um weiterhin attraktiv zu bleiben. Programmatische Werbung, Daten, direkte Kundenbeziehung, künstliche Intelligenz, all das wird kommen, denn es ist schon hier."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen)!

"Wir brauchen innovative Programme für junge Zielgruppen in den neuen Streaming-Plattformen. Und gibt es noch keine lokalen, dann müssen sie 2021 starten – oder es wird sie nicht geben. Und wir brauchen funktionierende Mainstreamprogramme im linearen Fernsehen. Dazu guten, qualitativ hochwertigen Online Content als 'brand safe' environment für die Kunden."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten)?

"Warten. Zögern. Nicht in Streamingplattformen und neue Programme investieren. Das darf nicht passieren. Die Uhr tickt, die Zeit läuft."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"Corona hat es bestätigt: Die KonsumentInnen kaufen dort ein, wo sie wollen und wann sie wollen (oder können). Und sie konsumieren das, was ihnen gefällt (wann und wo sie wollen oder können). Medien sind im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit (Zeit!) und die Haushaltsbudgets. Exklusiver Content, Live-Ereignisse, talk of the town, Service, Hintergrund, Dokus, Kinder, Erotik, Gaming … es gibt viele Gründe, für Inhalte zu bezahlen, direkt als Subscriber oder indirekt via Werbung."

"Digitale Lockerung für ORF alternativlos für Österreichs Medienmarkt"

Weitere Prognosen und Befunde Setteles zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • Der langjährige Mitstreiter von Gerhard Zeiler (ORF, RTL, Turner, Warner Media) rechnet mit Alexander Wrabetz' Wiederwahl zum ORF-Chef 2021. Sein Befund: "Der ORF hat in der Corona-Krise einen sehr guten Job gemacht."
  • Für die weitere Besetzung der ORF-Führung sieht er "zwei Wege: Ein Freundschaftspaket des (kleinsten) gemeinsamen politischen Nenners. Ein Direktorium der besten Köpfe. Sehr wahrscheinlich wird es ein Kompromiss aus beiden ..."
  • "Der ORF sollte seine Strukturen selbst bestimmen", erklärt Settele zur Frage, ob die Regierungsmehrheit bis 2026 dem ORF eine neue Führungsstruktur, etwa einen Vorstand statt eines Alleingeschäftsführers, und/oder neu zusammengesetzte Aufsichtsgremien per Gesetz verordnet.
  • Die Streamingplattform ORF-Player und Lockerungen der Onlinebeschränkungen sind geboten, erklärt Settele: "Eine digitale Lockerung für den ORF ist wichtig und alternativlos für den österreichischen Medienmarkt, da ansonsten noch mehr Geld zu internationalen Streaming-Playern (Netflix, Amazon, Disney, Sky) gehen wird und zu den Online-Giganten (Google/Youtube, Facebook)."
  • Aber (Settele kennt Österreichs Medienmarktpolitik): "Begleitend sollten die österreichischen Online- und Printmedien direkt und indirekt unterstützt werden, ihre (gemeinsamen?) Plattformen und Player aufzubauen. Wird der ORF digital nicht aus seinen Fesseln befreit, geht ein Großteil des Geldes ins Ausland und ist für den Markt verloren. Werden die Online- und Printmedien nicht gefördert, sind sie die nächsten zehn Jahre in permanenter Gefahr der Aushöhlung ..."
  • Settele rechnet nicht damit, dass die 15 größten Medienunternehmen Österreichs Ende 2021 noch denselben Eigentümern gehören wie heute – seine knappe Prognose: "Konsolidierung".
  • Auch das Überleben der – laut Fragebogen "relevanteren" – Medien in Österreich sieht er nicht durchwegs gesichert bis Ende 2021. Die drastische Prognose: "Pleiten, Merger, Kooperationen … nichts bleibt, wie es war."
  • Für Österreichs Position in der Weltrangliste der Pressefreiheit erwartet Settele eher keinen Aufstieg 2021: "Besser wird es eher nicht, fürchte ich."
  • Für den Arbeitsmarkt der Journalistinnen und Journalisten hat der TV-Manager "keine guten Aussichten: Gehaltsdruck, Effizienzdruck, Spardruck." Nachsatz: "Wünschenswert wären Medienunternehmen, die wieder mehr wagen und investieren."
  • Zu Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten wie bei Demonstrationen erklärt Settele im Etat-Fragebogen: "Die demokratische Gesellschaft muss die Freiheit der JournalistInnen verteidigen."

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 22.12.2020)