Impfungen schützen – das ist unbestritten. Belege dafür gibt es viele.

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1. Weil man nur durch die Krankheit selbst echte Immunität erreicht

Das Gegenteil ist der Fall. Nach einer Masern-Erkrankung etwa ist das Immunsystem so geschwächt, dass über mehrere Jahre das Risiko für den Tod durch andere Infektionskrankheiten erhöht ist.

Wer sich hingegen beispielsweise jedes Jahr gegen Grippe impfen lässt, stärkt auf Dauer sein Immunsystem, weil der Körper so mit vielen verschiedenen Stämmen in Berührung kommt. Selbst wenn es ein Impfstoff ist, der in der aktuellen Saison nicht zu 100 Prozent gegen die grassierenden Stämme wirksam ist, wird die Grippe aufgrund der früheren Impfungen milder verlaufen.

2. Weil eine Impfung das Immunsystem überfordert

Ja, eine Impfung kann Nebenwirkungen haben – die Einstichstelle schmerzt, es kommt zu Fieber oder einer leichten Form jener Erkrankung, gegen die geimpft wurde. Doch genau das zeigt, dass das Immunsystem tut, was es soll. Denn ein Impfstoff stellt dem Körper abgeschwächte Krankheitserreger oder Teile davon zum Abwehrtraining zur Verfügung. Eine Impfreaktion ist eine Art Probealarm. Und genau das ist es, was unsere Abwehr stärker macht. Im Ernstfall sind unsere weißen Blutkörperchen dann gewappnet und können eingedrungene Viren und Bakterien schnell überwältigen.

Auch das Immunsystem von Kindern wird durch Impfungen nicht überfordert. Alle Immunisierungen, die sie in den ersten Lebensjahren bekommen, enthalten zusammengenommen insgesamt 150 Antigene – früher waren es wesentlich mehr, weil Impfungen immer besser werden. "Tatsächlich setzt sich das kindliche Immunsystem, das für diese Aufgabe gut gerüstet ist, tagtäglich mit einer vielfach größeren Menge von Antigenen auseinander, als dies bei Impfungen der Fall ist", schreibt das deutsche Robert-Koch-Institut.

3. Weil ich es selbst auch gehabt habe

Sie hatten Glück: Viele Infektionskrankheiten heilen aus und bleiben ohne Folgen. Doch in manchen Fällen können diese Erkrankungen dramatisch verlaufen. So erkrankt etwa eines von 1.000 Kindern mit Masern an der sogenannten Masern-Enzephalitis – sie führt häufig zu Hirnschäden oder zum Tod.

Die Statistik zeigt eindrücklich, dass früher, bevor gegen Kinderkrankheiten geimpft wurde, die Kindersterblichkeit wesentlich höher war als heute. Mit verbesserter Hygiene, wie oft argumentiert wird, hat das nur wenig zu tun. Etwa bei den Masern entwickelt fast jede und jeder die Erkrankung, die oder der ungeschützt ist und das Virus aufnimmt – egal wie gut die Hygienemaßnahmen sind.

4. Weil Kranksein zum Leben gehört und Kinder diese Erfahrung machen müssen

Natürlich gehören Krankheiten zum Leben, etwa ein gebrochener Fuß oder eine Erkältung. Möglicherweise gibt es positive Lehren, die sich daraus ziehen lassen – etwa mehr Vorsicht auf dem Spielplatz. Doch sicherlich nicht gemeint sind Infektionskrankheiten, die die Gesundheit langfristig schwächen, Kinder in ihrer Entwicklung zurückwerfen und die erfolgreich mit einer Impfung verhindert werden können. Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass nicht geimpfte Kinder sich besser entwickeln als geimpfte. Das Gegenteil ist der Fall, denn jede Impfung trainiert und verbessert das Immunsystem.

5. Weil ich Entscheidungen für mein Leben selbst treffe

Ja, Entscheidungen über das eigene Leben sollte jede und jeder selbst treffen. Doch die Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, hat nicht nur Auswirkungen auf einen selbst, sondern auch auf das eigene Umfeld. Denn wer sich impfen lässt, schützt auch diejenigen, die selbst nicht geimpft werden können – weil sie zu jung, krank oder schwanger sind. Eine Impfung bedeutet also auch, sich um seine Mitmenschen zu kümmern, sich solidarisch zu zeigen, und ist ein Beitrag für eine gesunde Gesellschaft, den jede und jeder leisten kann.

Ist etwa ein Kind an Leukämie erkrankt, würde ihm eine Impfung gegen die Influenza nicht viel bringen. Dafür sollten alle Familienmitglieder geimpft werden, damit sie keine möglichen Infektionsquellen für das erkrankte Kind sind. Das wird Herdenimmunität oder Gemeinschaftsschutz genannt. Und es gibt noch ein höheres Ziel von Impfungen, das die ganze Gesellschaft betrifft: Liegt die Durchimpfungsrate über 95 Prozent, kann eine Krankheit ausgerottet werden, der Herdenschutz ist gesichert. Bei den Masern ist das etwa in Amerika zwischenzeitlich gelungen. Immer wieder gibt es Impfgegner, die sich darauf verlassen, dass die anderen geimpft sind und sie von diesem Herdenschutz profitieren.

6. Weil ich mir vom Staat sicher nichts aufoktroyieren lasse

Der Staat hat die Aufgabe, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger aufrecht zu erhalten, insofern kann er Anreize für Impfungen setzen oder gesetzlich vorschreiben, dass in bestimmten Berufen oder Einrichtungen nur Menschen arbeiten oder aufgenommen werden dürfen, die über einen aufrechten Impfschutz verfügen – im Interesse aller beziehungsweise der Schwächeren.

Zudem profitiert unser Gesundheitssystem auch finanziell von Prävention und kann die dadurch verfügbaren Mittel an anderer Stelle einsetzen. Etwa die Influenza-Impfung zahlt sich eindeutig aus, wie Berechnungen für den sogenannten Health Impact zeigen, durchgeführt vom Institut für Pharmaökonomische Forschung. Ein Euro, der in die Influenza-Impfung investiert wird, spart dem Gesundheitssystem drei und der Gesellschaft mehr als 20 Euro, etwa weil die Eltern eines erkrankten Kindes nicht in der Arbeit fehlen.

Viele Impfgegner verstehen sich als Freigeister, die sich von der Institution Staat nichts sagen lassen wollen. Nicht selten haben sich rechte Parteien für Impfgegner stark gemacht – als Opposition gegen die Regierung als Vertreter des Establishments. Hier werden politische Ziele mit den Zielen der öffentlichen Gesundheit vermischt.

7. Weil die Pharmafirmen nur noch mehr Geld verdienen wollen

Pharmafirmen sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die Gewinn machen wollen. Die Einnahmen durch Impfungen sind dabei jedoch verschwindend gering und liegen bei etwa ein bis zwei Prozent. Viel mehr Geld verdienen die Unternehmen mit Medikamenten, etwa gegen chronische Erkrankungen – weil diese von den Betroffenen oft über einen sehr langen Zeitraum eingenommen werden müssen. Würden Pharmaunternehmen mehr Profite machen wollen, würden sie sogar weniger Impfungen verkaufen. Denn jene Menschen, die sich nicht impfen lassen, erkranken in der Folge oft an einer chronischen Erkrankung.

Hinzu kommt, dass die Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen sehr aufwändig und teuer ist, weshalb immer weniger Pharmaunternehmen – zumindest bis vor der Corona-Pandemie – diese Hürden auf sich nehmen. Vielfach muss dafür Geld aus anderen Unternehmenssparten in die Entwicklung von Impfstoffen investiert werden. Und selbst wenn profitorientierte Interessen dahinterstecken würden, so müssen die klar belegten Nachweise über die positive Wirkung von Impfungen hier dennoch überwiegen.

8. Weil Impfungen Autoimmunerkrankungen und Allergien auslösen

Viele Menschen wollen sich oder ihre Kinder aus Angst vor sogenannten Impfschäden nicht impfen lassen. In Kreisen von Impfgegnern gibt es viele falsche Behauptungen – etwa Impfungen würden Autismus, Typ 1-Diabetes, Gesichtslähmungen, Multiple Sklerose, Asthma oder Allergien verursachen. Für alle diese Mythen gibt es jedoch keinerlei Nachweise.

In äußerst seltenen Fällen können Impfungen zu allergischen Schockzustände oder einem Kollaps führen, jedoch sind die möglichen Folgen der Erkrankung, wenn gegen sie nicht geimpft würde, wesentlich wahrscheinlicher. So kann eine Folge von Masern in einem von 1.000 Fällen die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine lebenslange Behinderung, sein. Zum Vergleich: Das Risiko für eine Gehirnhautentzündung nach einer Impfung liegt bei einem von einer Million Fälle.

Auch Allergien treten durch Impfungen nicht häufiger auf. Sie können das Risiko für die Entwicklung einer Allergie nachweislich sogar verringern. So traten laut Robert-Koch-Institut in der DDR beispielsweise kaum Allergien auf, obwohl es dort eine Impfpflicht gab.

9. Weil es viele Erkrankungen bei uns gar nicht mehr gibt

Das stimmt zwar, doch der Grund dafür ist, dass die meisten Infektionskrankheiten durch Impfungen zurückgedrängt werden konnten. Sie können jedoch jederzeit wieder zurückkommen und sich dann auch ausbreiten, wenn sie genug Menschen finden, die nicht dagegen geimpft sind. Anfang der 1990er-Jahre gab es etwa in Russland und den ehemaligen Ländern der Sowjetunion eine Diphterie-Epidemie mit 150.000 Erkrankten und 6.000 Toten, weil die Durchimpfungsrate in der Bevölkerung zuvor stark gesunken war. Auch in Österreich gab es in den letzten Jahren immer wieder vereinzelte Masern-Ausbrüche. Durch den heute stärkeren Reiseverkehr können sich Infektionen zudem schneller ausbreiten.

10. Weil man trotz Impfung erkranken kann

Das stimmt, doch die Wahrscheinlichkeit ist je nach Erkrankung deutlich reduziert. Während Impfungen wie jene gegen Masern, die etwa in 97 bis 98 Prozent der Fälle vor einer Infektion schützt, sehr zuverlässig sind, wird vor allem bei der Grippe-Impfung dieses Argument häufig angeführt. Diese Impfung reduziert, je nach Person und Saison, das Risiko, an einer echten Grippe zu erkranken, im Schnitt um 60 Prozent. Natürlich ist das nicht optimal, allerdings ist eine Risikoreduktion dieser Höhe auch nicht zu verachten. Zudem ist diese Impfung die einzige Möglichkeit, die es gibt. Der Vergleich mit dem Sicherheitsgurt im Auto wird hier oft angeführt: Auch er schützt nicht hundertprozentig davor, bei einem Autounfall zu sterben – aber er reduziert das Risiko, und daher schnallen sich die meisten Menschen an.

11. Weil Impfungen gefährliche Inhaltsstoffe enthalten

Verschiedene Stoffe für eine bessere Wirksamkeit oder Haltbarkeit sind in Impfungen enthalten, etwa Formaldehyd, Aluminium, Phenol oder Quecksilber, "allerdings in äußerst geringen Konzentrationen und weit unterhalb toxikologischer Grenzwerte", schreibt das Robert-Koch-Institut.

Auch Verunreinigungen von Impfstoffen sind durch regelmäßige, strenge Kontrollen und Tests heute so gut wie ausgeschlossen, zudem werden diese Kontrollmechanismen laufend angepasst.

12. Weil einfache Erklärungsmuster guttun

Das Prinzip einer Impfung ist einfach, doch wie sie wirkt und hergestellt wird, ist durchaus komplex und nicht leicht zu verstehen. Denn auch das Immunsystem hat viele Facetten. Wer sich damit beschäftigt, braucht viel Zeit.

Geht es darum, zu begreifen, warum Impfungen aus einer gesellschaftlichen Perspektive wichtig und sinnvoll sind, braucht es die Einsicht, dass das eigene Schicksal immer auch mit den Menschen rundherum verbunden ist. In einem Zeitalter, das stark von Individualismus geprägt ist, fällt es vielen nicht leicht, sich als Teil eines großen Ganzen zu sehen.

Zudem bleiben immer auch Restrisikos von Impfungen, die wesentlich geringer sind als die Schäden der Krankheit selbst. Auch diese Abwägung und die Einschätzung von Gefahren erfordert ein mathematisches, biologisches und medizinisches Grundverständnis, das nicht automatisch bei Laien vorausgesetzt werden kann. Impfgegner hingegen argumentieren oft mit sehr simplen Vergleichen, die sehr leichter verständlich sind. (Karin Pollack, Bernadette Redl, 27.12.2020)