Das Charakter-Design war immer eine Stärke von "Destiny".

Foto: Bungie

In sich abgeschlossene Spiele wird es wohl immer geben. Eine in sich stimmige Handlung, starke Charaktere und ein Ende, an das man sich gerne zurückerinnern möchte. Doch der wachsenden Gaming-Branche gefiel in den letzten Jahren vor allem ein neues Geschäftsmodell: Games as a Service. Egal ob storybasiertes Spiel oder Multiplayer-Shooter, das Kauferlebnis darf nicht nach den rund 70 Euro enden, sondern muss über Jahre weitererzählt werden. Im Idealfall begleitet von weiteren Einzahlungen der Spieler.

Das ist per se nicht zu verurteilen, schließlich musste man früher auf einen möglichen zweiten Teil warten, während jetzt die erste Geschichte einfach weitererzählt wird. Ein erfolgreiches Beispiel der letzten Jahre stammt von Bungie, jenem Entwickler, der durch das Schaffen der Halo-Serie weltberühmt wurde. Die letzten Jahre arbeitete man unter der Flagge von Activision Blizzard an der Destiny-Marke, einem klassischen Shooter, der jedoch mit regelmäßigen Erweiterungen dafür sorgt, dass Spieler über Jahre hinweg bei der Stange gehalten werden. Justin Truman ist General Manager bei dem mittlerweile unabhängigen Studio und erzählt über den aktuellen Status von Bungie und natürlich über das Geschäftsmodell und die eigenen Erfahrungen zu Games as a Service.

Nach sechs Jahren beim mittlerweile geschlossenen Studio Pandemic, wo Truman als Senior Programmer tätig war, wechselte er zu Bungie. Dort hat er sich in den letzten elf Jahren vom Senior Engineering Lead zum General Manager hochgearbeitet.

Justin Truman ist seit 11 Jahren bei Bungie.
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STANDARD: Wie geht es dem Team von Bungie im Moment? Wie hart hat Covid-19 die Entwicklung von Destiny beeinflusst?

Truman: Unsere Firma war nicht darauf ausgelegt, dass auf einmal jeder Mitarbeiter von zu Hause arbeiten kann. Dementsprechend groß war die Umstellung für alle und uns als Firma. Es war sehr anstrengend, aber auch schön zu sehen, wie sich das Team gegenseitig unterstützt hat. Ansonsten haben wir Erfahrungen gemacht, wie wohl so viele andere. Was man früher im Vorbeigehen mit einem Kollegen klären konnte, etwa schnelles Feedback einholen oder am Whiteboard gemeinsam ein Problem angehen, war mit Chat-Programmen natürlich möglich, aber nicht ganz so einfach zu lösen. Trotzdem sind wir dankbar, dass wir an unseren Projekten weiterarbeiten und alle Arbeitsplätze sichern konnten.

STANDARD: Destiny wurde 2017 veröffentlicht. Drei Jahre später die Fortsetzung. Jetzt haben wir Anfang 2021, das Spiel ist kostenlos verfügbar, und es gibt keinen Publisher mehr. Was waren die größten Veränderungen in den letzten Jahren?

Truman: Die Zusammenarbeit mit Activision hat ermöglicht, dass wir Destiny und Destiny 2 überhaupt veröffentlichen konnten. Als unabhängiges Studio können wir uns aber noch mehr auf unseren eigenen Zeitplan konzentrieren und unsere Vision für Destiny umsetzen, genau wie wir es wollen. Wir haben es geschafft, das Spiel kostenlos anbieten zu können und unsere eigene Publishing-Plattform aufzubauen. Wir haben uns für die kommenden Aufgaben und Herausforderungen gut gerüstet.

Aktueller Trailer zu "Destiny 2".
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STANDARD: Wie kam es zu der Idee, nach dem Release immer weiter Inhalte nachzuliefern?

Truman: Unsere Pläne, wie wir nach dem Spiel mit weiteren Inhalten umgehen, haben sich im Laufe der Zeit verändert. Bei Destiny 1 haben wir klassisch mit "Downloadable Content"-Paketen (DLC) gearbeitet. Bei der Fortsetzung haben wir einen Mix aus saisonalen Updates und den wirklich großen jährlichen Inhalten wie Beyond Light oder Shadowkeep. Von Anfang an wollten wir aber, dass sich die Welt über die Jahre entwickelt. Das Fortführen der Story sowie immer neue Features waren wichtig, sonst hätten die Spieler das Interesse verloren.

Ergänzend dazu hören wir auch auf die Community, suchen den Dialog. Wenn man ein Spiel über viele Jahre begleitet, dann muss man als Entwickler transparent sein, was die eigenen Pläne und Visionen betrifft, und gleichzeitig auch auf das Feedback der Spieler hören. Sie verbringen teilweise sehr viel Zeit mit dem Spiel, und da muss man nicht nur dankbar dafür sein, sondern auch darauf hören, was es an positivem und weniger positivem Feedback gibt.

STANDARD: Das Spiel ist ein Service-Game, also eben eines, das den Spieler lange begleiten soll. Wie muss eine Welt sein, um mit diesem Konzept funktionieren zu können?

Truman: Ich kann nicht im Namen anderer Firmen sprechen. Es gibt viele Wege, große Spiele zu schaffen, und keinen Weg, der für jeden passt. Bei Bungie haben wir den Leitspruch "Wir schaffen Welten, die zu Freundschaften inspirieren". Man soll in unseren Spielen gerne Zeit verbringen und das möglichst gut mit Gleichgesinnten. Wenn du so einen Platz schaffen willst, dann musst du ein Service-Game machen. Wenn wir fünf verschiedene Destiny-Spiele veröffentlichen würden, würden Gruppen an Spielern nicht mehr an demselben Ort zusammenfinden, sondern sich verteilen. Es muss deshalb eine Welt geben, die funktioniert und die sich konstant weiterentwickelt. Eine Welt, die vertraut ist, aber auch immer neue Herausforderungen bietet.

Spiele, die über viele Jahre beschäftigen, sind kein neues Phänomen.
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STANDARD: Viele Spiele, die diesen Weg beschritten haben, sind kläglich gescheitert. Welche Hürden gilt es zu nehmen?

Truman: Die Risiken sind bei Service-Games ähnlich wie bei anderen Arten von Spielen – wenn der Spieler keinen Spaß hat, die Story nicht mag oder neue Features nicht gut findet, dann bleibt er nicht bei dir. Der Vorteil bei Spielen, die für eine längere Spielzeit ausgelegt sind, ist, dass man sie nachjustieren kann. Wir hatten mit beiden Destiny-Teilen unsere Erfahrungen gemacht, sowohl Erfolge gefeiert als auch Niederlagen hinnehmen müssen. Wir haben aus beidem gelernt und uns unter anderem dafür entschieden, die Community mehr einzubeziehen. Ein Beispiel ist, wie wir den jährlichen Ablauf verändert haben. Früher haben wir nur von DLC zu DLC gedacht. War der eine beendet, haben wir am nächsten gearbeitet. Jetzt füllen wir mögliche Lücken, die für den Spieler entstehen könnten, mit saisonalem Inhalt und verschaffen uns selbst damit Zeit, die großen Erweiterungen in Ruhe fertigstellen zu können.

STANDARD: Es kommen immer mehr Spiele mit diesem Modell auf den Markt. So blockieren Rainbow Six Siege, Destiny 2 und Fortnite die Zeit vieler Spieler, und irgendwann werden es wohl zu viele Service-Games sein, oder?

Truman: Die Gaming-Industrie wächst aktuell sehr stark. Es gibt so viele Spiele wie nie zuvor, allein rund 20 täglich auf Plattformen wie Steam. Aber es gibt auch mehr Spieler als je zuvor. Die junge Generation wächst mit Games als ihrer primären Freizeitbeschäftigung auf, die Industrie konnte zudem die Grenzen in alle Richtungen erweitern und spricht jetzt auch Leute an, die vorher nie etwas mit Spielen zu tun gehabt haben. Als Entwickler musst du da deine Nische finden, etwas bauen, das Leute anspricht. Im Idealfall, so wie wir das bei Destiny versucht haben, ist die Spielerfahrung "kompatibel mit dem echten Leben". Egal wie viel Zeit du mit deinem Hobby verbringen kannst, du solltest einen Platz bei uns finden.

Händler sind ein wesentlicher Bestandteil. Auch für Transaktionen mit Echtgeld.
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STANDARD: Echtgeld-Zahlungen in Spielen sind oft verpönt, speziell wenn das eigentliche Spiel schon etwas kostet und nicht free-to-play ist. Was ist Ihre Meinung dazu?

Truman: Mikrotransaktionen in Spielen sind bei Destiny optional und dienen rein der Kosmetik. Als unabhängiges Studio hat uns das finanziell sehr für die Entwicklung des Spiels geholfen. Eine Erfahrung war sicher, die Loot-Boxen im Spiel zu entfernen. Das kam nicht gut an, und deshalb kann man jetzt nur noch Dinge bei uns kaufen, wo man schon vorher weiß, was man dafür bekommt.

STANDARD: Das Spiel gibt es jetzt auch für Google Stadia. Wie wichtig wird Streaming in Zukunft sein?

Truman: In unserer Vorstellung kann man Destiny immer und überall spielen. Ich glaube, dass Streaming zunehmend wichtiger wird. Google wird da eine wichtige Rolle spielen. Wir haben letztes Jahr zudem Cross-Save eingeführt, somit kann man auf Wunsch auch plattformübergreifend auf seine Charaktere zugreifen.

STANDARD: Wie geht es mit Destiny weiter? Wird es ein Destiny 3 geben?

Truman: Unsere bereits öffentliche Roadmap geht bis 2022. Intern sprechen wir schon über die Zeit danach. Aktuell geht es uns natürlich darum, die Welt von Destiny 2 mit möglichst viel Leben zu erfüllen. Wir haben noch viele Geschichten zu erzählen und sind sehr gespannt, was unsere Community dazu sagen wird. (Alexander Amon, 3.1.2020)