Kämpfer von drei Rebellengruppen marschierten auf die Hauptstadt Bangui vor. Weite Gebiete der Zentralafrikanischen Republik befinden sich acht Jahre nach Ausbruch des Bürgerkriegs unter der Kontrolle von Rebellen.

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Faustin Archange Touadéra wirbt für seine Wiederwahl.

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Auf dem afrikanischen Kontinent fanden in diesem Jahr allein zehn Präsidentschafts- und 16 Parlamentswahlen statt: Eine Abstimmung verlief umstrittener als die andere. Das wird auch beim letzten Urnengang in diesem Schreckensjahr – am kommenden Sonntag in der Zentralafrikanischen Republik – nicht anders sein: Dort drohte der Volksentscheid wenige Tage vor dem Termin sogar ganz zu entgleisen. Ende vergangener Wochen marschierten Kämpfer gleich dreier Rebellengruppen auf die Hauptstadt Bangui vor: Sie konnten erst zwischen 100 und 200 Kilometer von ihrem Ziel entfernt von Blauhelmen der UN-Mission Minusca, russischen Söldnern und Soldaten der einheimischen Streitkräfte gestoppt werden.

Der seit vier Jahren regierende Präsident des Ruinenstaats vermag sich schon seit langem nur mit militärischer Hilfe aus dem Ausland an der Macht zu halten: Einer der ärmsten Staaten der Welt, in dem mehr als die Hälfte der knapp fünf Millionen Einwohner auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, droht jeden Augenblick wieder in einen Bürgerkrieg abzugleiten. Den jüngsten Bruderkrieg beendete eine französische Interventionstruppe, abgelöst von 11.000 Blauhelmsoldaten: Seitdem stellt sich der notdürftig bewahrte Friede als zunehmend prekär heraus.

Ex-Präsident nach wie vor beliebt

Damals, 2013, entfernte das muslimische Rebellenbündnis Séléka Präsident François Bozizé aus dem Amt: Dieser war zehn Jahre zuvor selbst durch einen Putsch an die Macht gekommen. Seine Regierung machte vor allem durch ein atemberaubendes Ausmaß der Korruption und des Machtmissbrauchs auf sich aufmerksam: Seinen Abgang bereuten nicht viele Zentralafrikaner. Nach seinem Sturz und einer sechsjährigen Exilzeit in mehreren afrikanischen Staaten kehrte Bozizé im vergangenen Jahr wieder in die Heimat zurück und wollte bei den bevorstehenden Wahlen kandidieren. Daran wurde er jedoch vom höchsten Gericht des Landes gehindert.

Der inzwischen 74-Jährige erfülle nicht die Voraussetzung einer "guten Moral" für das höchste Amt im Staat, befanden die Richter Anfang dieses Monats und beriefen sich dabei auf die UN-Sanktionen gegen Bozizé, dem widerrechtliche Hinrichtungen, Folterungen und andere Verbrechen während seiner Amtszeit vorgeworfen werden. Auch die Anklagebehörde des eigenen Landes will den Ex-Präsidenten wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und "Aufwiegelung zum Völkermord" vor Gericht stellen. Allerdings ist Bozizé unter Militärs und den "Anti-Balaka" genannten christlichen Milizien noch immer populär.

Zusammenschluss von Rebellen

Die Regierung unter Faustin Archange Touadéra wirft dem Ex-Präsidenten vor, hinter der Vereinigung von drei (christlichen) Rebellentruppen im Nord- und Südwesten des Landes zu stehen: Sie schlossen sich vergangene Woche zur "Koalition der Patrioten für einen Wandel" zusammen und setzten sich in Richtung Hauptstadt in Bewegung. Bozizé bestreitet eine Beteiligung an den Vorgängen. Das zivile Oppositionsbündnis "Koalition der Demokratischen Opposition", dem Bozizé bis zu seinem Ausschluss von den Präsidentschaftswahlen vorstand, fordert jetzt eine Verschiebung der Wahlen: Sie sollten erst veranstaltet werden, wenn im Land wieder "Sicherheit" herrsche, hieß es. Die Regierung lehnt das ab.

Für Aufsehen sorgt bereits seit Jahren die Unterstützung, die der amtierende Präsident aus Russland erfährt: Touadéra hat einen russischen Sicherheitsberater, seine Armee wird von russischen Soldaten trainiert, mit der berüchtigten "Wagner Truppe" halten sich selbst russische Söldner im Land auf. Nach den jüngsten Unruhen seien "hunderte" weitere russische Soldaten mitsamt schwerer Waffen eingeflogen worden, gab ein Sprecher Touadéras bekannt: Sie seien "aufgrund der bilateralen Vereinbarungen" zwischen Russland und der Zentralafrikanischen Republik ins Land gekommen. Inzwischen schickte auch Ruanda "mehrere hundert" Soldaten ins Land: Sie sollen ihre in der Blauhelmtruppe dienenden Landsleute beschützen, hieß es.

Streit um Bodenschätze

Im Hintergrund des verwickelten Konflikts spielt sich auch noch ein Machtkampf zwischen Russland und Frankreich ab. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich fühlt sich in ihrem Einflussbereich bedroht: Die Zentralafrikanische Republik ist außer ihrer zentralen strategischen Lage auch ihrer Diamanten und ihres Urans wegen interessant. Die Kontroverse zwischen den beiden Fremdmächten wird derzeit sogar virtuell ausgefochten:

Kürzlich gab Facebook die Schließung mehrerer Accounts bekannt, die sich mit zunehmender Schärfe und gefährlichen Falschinformationen bekriegt hätten. Der Cyberkrieg werde von russischen und französischen Propagandasoldaten geführt, hieß es. Wie unter solchen Bedingungen freie, faire und friedliche Wahlen zustande kommen sollen, weiß keiner. (Johannes Dieterich, 26.12.2020)