Die Regeln unseres Wirtschaftssystems müssen mit den ökologischen Regeln unseres Planeten in Übereinstimmung gebracht werden. Bei der Frage, wo dafür die besten Ansatzpunkte liegen, schiebt man gern die Verantwortung hin und her: Die Konsumenten müssen grüne Produkte kaufen, dann werden sie von den Unternehmen auch angeboten, sagen die einen; der Staat muss Regeln schaffen, um die Wirtschaft an ökologische Handlungsweisen heranzuführen, sagen die anderen.

Ein vielversprechender Ansatzpunkt blieb aber lange Zeit unterbelichtet: der Finanzmarkt. Mit ihm kann die Frage, welchen Organisationen eine Gesellschaft ihr Geld gibt, um damit wirtschaften zu können, neu beantwortet werden.

Nicht in Kohle zu investieren ist gut. Besser ist es aber noch, Geld gezielt in ökologisch agierende Branchen und Unternehmen zu stecken.
Foto: RLB NÖ-Wien

Heute sind Begriffe wie grüne Investments und nachhaltiger Finanzmarkt in der Finanzbranche keine Fremdwörter mehr. 29,3 Milliarden Euro waren 2019 in Österreich in nachhaltige Fonds investiert – 15,9 Prozent des Gesamtvolumens. In Deutschland waren es dagegen 183,5 Milliarden Euro und 5,4 Prozent des Fondsvolumens. Den traditionell wenig am Wertpapiermarkt interessierten Österreichern werden mittlerweile auch nachhaltige Spar- und Giroprodukte schmackhaft gemacht.

Finanzmarkttrend

Die Non-Profit-Organisation ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) gehört zu den Pionieren bei der Beschäftigung mit grünen Strategien für den Finanzmarkt. "Wir haben das Thema nachhaltige Investments vor nun beinahe schon 20 Jahren aufgegriffen. Die damals noch orchideenhafte Debatte hat über die Jahre aber stark an Fahrt aufgenommen", erläutert die ÖGUT-Forscherin Susanne Hasenhüttl. Gemeinsam mit Katharina Muner-Sammer und weiteren Kollegen arbeitet sie an InvestmentStandards und Nachhaltigkeitszertifizierungen sowie an der weiteren Popularisierung des Themas bei Anlegern und Wirtschaftstreibenden.

"Eine erste große Aufgabe war etwa die Entwicklung eines Prüfsystems für die betrieblichen Vorsorgekassen in Österreich, wo der Nachhaltigkeitsgedanke schon früh Anwendung fand", blickt Hasenhüttl zurück. Angelehnt wurden die Kriterien damals schon an das Österreichische Umweltzeichen für Finanzprodukte, das 2004 als erstes Gütezeichen dieser Art in Europa entstand. Träger ist das Klimaschutzministerium, mit dem auch das ÖGUT seit Beginn an kooperiert.

Mit dem internationalen Ausbau des Trends sind viele Standards und Ökolabels dazugekommen. Beispielsweise ruft eine globale Divestment-Bewegung dazu auf, Gelder aus der Fossilwirtschaft abzuziehen. Öko-Anleihen, sogenannte Green Bonds, mit denen nachhaltige Projekte finanziert werden, nehmen global zu. Die Republik Österreich prüft noch die Möglichkeit eines entsprechenden Anleihenprodukts – und gehört hier nicht zu den Vorreitern.

Lange waren grüne Geldanlagen mit dem Vorurteil behaftet, weniger lukrativ zu sein. "Das ist ein Mythos, der heute nahezu ausgeräumt ist", sagt Muner-Sammer. "Studien belegen keine Einbußen in den Renditen nachhaltiger Geldanlagen." Auch die Auswahl sei groß. "Mittlerweile gibt es zu fast jedem Finanzprodukt ein nachhaltiges Pendant", betont die ÖGUT-Forscherin.

Neue EU-Regeln

Mit der Entwicklung des grünen Markts verändern sich auch die Kriterien der Gütezeichen. In Österreichs Umweltzeichen, das alle vier Jahre angepasst wird, sind etwa Rüstung, Kernenergie, Kohle, Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen oder Gentechnik wichtige Ausschlusskriterien für nachhaltige Finanzprodukte. Neben dem gezielten "Weglassen" von Unternehmen und Staaten werde aber auch ein positiver Ansatz wichtiger, betont Hasenhüttl. "Die Strategie, gezielt in nachhaltige Sektoren wie den Gesundheitsbereich oder in erneuerbare Energie zu investieren, wird häufiger."

Auf die bestehenden LänderStandards trifft nun ein EU-Aktionsplan, der Vereinheitlichungen und weitreichende Neuerungen bringen soll. "Im Zuge einer sogenannten Taxonomieverordnung wird ein EU-weiter Rechtsrahmen geschaffen, der nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten definiert", erklärt Muner-Sammer. "Ein Fonds, der sich nachhaltig nennt, muss erklären, inwieweit er diese Kriterien erfüllt. Dieser Nachhaltigkeitsanspruch muss zudem mit Daten zu den Unternehmen, in die investiert wird, belegt werden."

Gleichzeitig werden die Finanzmarktakteure verpflichtet, Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Portfolios offenzulegen. "Auch Finanzberater müssen das Thema in ihren Kundengesprächen künftig ansprechen, sagt Muner-Sammer. "Das ist besonders wichtig, weil viele Menschen einfach noch nicht wissen, dass es nachhaltige Finanzprodukte gibt." Letztendlich sieht der Aktionsplan auch ein eigenes EU-Ökolabel vor, der sich auf die streng geregelten Nachhaltigkeitskriterien beziehen wird. (Alois Pumhösel, 31.12.2020)