Die Europäer wollen Symmetrie. Dazu dürfte es nicht kommen.

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China scheint der große Covid-Sieger zu sein. Im Ursprungsland der Pandemie laufen die Fabriken auf Hochtouren. Strenge Quarantäne-Vorschriften und Massentests scheinen dafür gesorgt zu haben, dass die Wirtschaft der Volksrepublik als einzige unter den großen Industriestaaten dieses Jahr nicht schrumpft, sondern sogar wächst. Trump, der einen Handelskrieg gegen das immer mächtiger werdenden Peking initiiert hat, ist abgewählt. Der Zeitpunkt, um mit der Europäischen Union ein Handelsabkommen zu schließen, könnte aus Pekings Sicht nicht günstiger sein. Ein paar kleinere Zugeständnisse der chinesischen Führung könnten nun dazu führen, dass es noch diese Woche unterzeichnet wird.

Lange Verhandlungen

Dabei wird über das Investitionsabkommen seit sieben Jahren verhandelt. Die Europäische Handelskammer beklagt immer wieder den Joint-Venture-Zwang, dem noch immer viele europäische Unternehmen in China unterworfen sind. Hinzu kommen der mangelnde Schutz geistigen Eigentums, unfaire Refinanzierungsmöglichkeiten für chinesische Unternehmen, die Benachteiligung bei öffentlichen Ausschreibungen und die Einflussnahme kommunistischer Parteizellen auf Geschäftsentscheidungen.

Eigentlich will die Kammer nichts anderes als Symmetrie; das, was chinesische Unternehmen in Europa dürfen, sollen europäische Unternehmen auch in China tun können. Dazu wird es, nach allem, was bekannt ist, nicht kommen. Trotzdem drängen Paris und Berlin auf einen schnellen Abschluss.

"Seit Ausbruch der Pandemie war China für die deutschen Autohersteller, aber auch für viele Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau einer der wenigen Lichtblicke", sagt der Unternehmensberater Georg Stieler aus Schanghai. "Ein faireres Marktumfeld wäre daher prinzipiell begrüßenswert." Nur worum es momentan im Einzelnen geht, ist nicht einmal bekannt. "Der ganze Verhandlungsprozess findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt."

Bescheidener Schritt

Erst kürzlich warnte eine Gruppe europäischer China-Experten, darunter Mikko Huotari, vom Mercator Institute for China Studies in Berlin, eindringlich vor einem übereilten Abschluss. Gerade weil das Abkommen ein Meilenstein sei, müsse es gut verhandelt werden. Der Text momentan sei nur ein bescheidener Schritt in Richtung Reziprozität in den Handelsbeziehungen, heißt es. Auch seitens Washington kommt nun Widerstand auf. Joe Biden dürfte prinzipiell auf etwas mehr Entspannung gegenüber Peking setzen. Allerdings hat er auch angekündigt, wieder mehr auf internationale Allianzen zu setzen. Eine gemeinsame Anti-China-Politik von Brüssel und Washington aber ist Peking ein Gräuel. Ein Investitionsabkommen noch vor Bidens Regierungsantritt schafft vollendete Tatsachen und bietet China Rückendeckung im Handelsstreit mit den USA. Jack Sullivan, Sicherheitsberater der neuen Biden-Administration, schrieb bereits auf Twitter, man würde "frühere Beratungen mit unseren europäischen Partnern hinsichtlich Chinas Wirtschaftspraktiken begrüßen".

Menschenrechte

Hinzu kommt, dass es in Bezug auf Menschenrechte so viel zu kritisieren gibt wie seit dem Tian’anmen-Massaker nicht mehr. Anfang Dezember haben Recherchen des Aktivisten Adrian Zenz gezeigt, dass rund eine halbe Million Uiguren, Kasachen und Angehörige anderer Minderheiten in Lagern zur Baumwollernte gezwungen werden. Das Abkommen soll auch ein Verbot von Zwangsarbeit beinhalten. Dagegen sträubt sich Peking. Sollte das Abkommen zustande kommen, muss es noch das Europäische Parlament passieren. Einige Abgeordnete haben bereits Widerstand angekündigt. (Philipp Mattheis, 23.12.2020)