Viele Menschen würden sich in Umfragen für eine tiefere europäische Integration aussprechen, sagt Guérot. In der öffentlichen Diskussion komme das oft nicht an.

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Überfüllte Intensivstationen, geschlossene Grenzen, Wirtschaftseinbruch und mittendrin ein Chaos-Brexit – die Pandemie hinterlässt Spuren am Projekt des gemeinsamen Europa. Wie sich die EU nach der Corona-Krise neu erfinden könnte, schildert die Politikwissenschafterin Ulrike Guérot im Podcast Edition Zukunft. Sie leitet das Department für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems und ist Gründerin des European Democracy Lab.

Krisen können jedenfalls auch verbinden, glaubt Guérot. Europa sei "nichts anderes als die Erinnerung an den traumatischen Abgrund von 30 Jahren Krieg inklusive Holocaust", weshalb sich in den 1950er-Jahren die Vorläufer der EU entwickelt haben. In den 1970er-Jahren kam aus Angst vor einer Abwertungsspirale die Währungsunion dazu. Jetzt komme es darauf an, wie Europa die aktuelle Krise wahrnehme und ob sich daraus ein "Nie wieder" entwickle: nie wieder überfüllte Krankenhäuser in Bergamo, während die Intensivbetten in anderen Teilen Europas noch frei sind, nie wieder russische Militärfahrzeuge in Norditalien statt europäische.

Spätestens nach der Corona-Krise sieht Guérot nach Jahrzehnten von wirtschaftlicher Zusammenarbeit eine europäische Sozialunion als nächsten logischen Schritt in eine gemeinsame Europäische Republik. In Umfragen seien zwar die meisten für eine tiefergehende europäische Zusammenarbeit – im öffentlichen Diskurs werden diese Mehrheiten aber noch nicht angenommen. Das liege auch an "falschen Buchführungen", was politische Entscheidungen anbelangt: Noch immer versuchen nationale Regierungen Erfolge der EU als ihre eigenen zu verkaufen. (pp, 24.12.2020)