Auf den bronzezeitlichen Märkten der Levante wurden offenbar schon exotische Gewürze, Früchte und Öle aus Südasien gehandelt.
Illustration: Nikola Nevenov

Die Antike und die Banane wollen irgendwie nicht zusammenpassen. Es ist einfach ein zu bizarres und geradezu anachronistisches Bild, dass sich etwa die Bewohner der Levante die gelbe krümme Frucht schmecken ließen – und doch dürfte es tatsächlich so gewesen sein. Aber nicht nur das, auch exotische asiatische Gewürze wie Kurkuma und sogar Soja waren bereits auf den bronzezeitlichen Märkten des östlichen Mittelmeerraumes zu haben. Herausgefunden hat dies nun ein internationales Team bei der Analyse von Nahrungsmittelrückständen in rund 3.700 Jahre altem menschlichem Zahnstein. Ihre Schlüsse daraus: Deutlich früher als angenommen verband der Fernhandel von Nahrungsmitteln weit entfernte Gesellschaften miteinander.

"Exotische Gewürze, Früchte und Öle Asiens erreichten den Mittelmeerraum also einige Jahrhunderte, zum Teil sogar Jahrtausende früher als gedacht", sagt Philipp Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). "Es ist der bislang früheste direkte Nachweis von Kurkuma, Banane und Soja außerhalb Süd- und Ostasiens." Die Präsenz von bestimmten Essensresten im Zahnstein der Verstorbenen bedeutet aber auch, dass bereits im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung ein reger Fernhandel mit seltenen Früchten, Gewürzen und Ölen herrschte. Offensichtlich hatten die Menschen schon sehr früh ein großes Interesse an exotischen Lebensmitteln. Man geht davon aus, dass der Handel damals vermutlich über Südasien und Mesopotamien oder Ägypten verlief – die ersten Spuren der Globalisierung.

Fehlende Zahnhygiene als Glücksfall für Historiker

Für ihre im Fachjournal "Pnas" erschienene Studie untersuchte die Gruppe um Stockhammer 16 Individuen aus den Fundorten Megiddo und Tel Erani, die im heutigen Israel liegen. Die Region in der südlichen Levante hatte im zweiten Jahrtausend eine wichtige Brückenfunktion zwischen dem Mittelmeerraum, Asien und Ägypten. Die Forscher nahmen für ihre Analyse Proben aus den Zähnen einzelner Individuen und analysierten, welche Eiweiße und Pflanzenreste aus der Ernährung sich im Zahnstein erhalten haben.

3D-Rekonstruktion des bronzezeitlichen Grabes 50 in Megiddo.
Illustr.: Megiddo Excavation

Paläoproteomik heißt dieses relativ neue Forschungsfeld. Die Methode könnte sich zu einem Standardverfahren in der Archäologie entwickeln, hoffen die Forscher. "Wer keine Zahnhygiene betreibt, verrät uns Archäologen noch nach tausenden von Jahren, wovon er sich ernährt hat", sagt Stockhammer. "Unsere Untersuchungen zeigen das große Potenzial dieser Methoden, um Hinweise auf Nahrungsmittel zu identifizieren, die ansonsten nur wenige archäologische Spuren hinterlassen", erklärt auch Christina Warinner, Bioarchäologin an der Universität Harvard und dem Max Planck Institut für Menschheitsgeschichte und Koautorin des Artikels.

Allergene blieben stabiler

Einzelne Eiweißabschnitte einem konkreten Nahrungsmittel zuzuordnen ist allerdings nicht leicht. Wenn ein Protein erst einmal tausende Jahre überlebt hat, gestaltet sich dessen Identifikation als große Herausforderung. Interessanterweise zeigte sich, dass allergieassoziierte Proteine im menschlichen Zahnstein am stabilsten zu sein scheinen, berichten die Forscher. Ein Befund, von dem sie glaubt, dass er auf die bekannte Thermostabilität vieler Allergene zurückzuführen ist.

So haben die Experten beispielsweise Weizen über Weizenglutenproteine nachweisen können. Unabhängig bestätigt wurde der Weizen schließlich mithilfe von sogenannten Phytolithen, eine Art pflanzliches Mikrofossil, das allerdings nicht in allen pflanzlichen Überresten vorhanden ist. Paläoproteomik ermöglicht daher auch die Identifizierung von Lebensmitteln, die habe nur wenige andere Spuren hinterlassen, wie beispielsweise Sesam. Sesamproteine wurden sowohl in Zahnsteinproben aus Megiddo als auch von Tel Erani isoliert. "Dies deutet darauf hin, dass Sesam im zweiten Jahrtausend vor Christus in der Levante zu einem Grundnahrungsmittel geworden war", sagt Stockhammer.

Ein freigelegte Friedhof in Tel Erani. Eine der dort beigesetzten Personen hatte Überreste von Bananenproteinen im Zahnstein.
Foto: Megiddo Excavation

Bananen, Kurkuma und Soja

Noch bemerkenswerter freilich ist die Tatsache, dass die Forscher im Zahnstein einer Person aus Megiddo Kurkuma- und Sojaproteine gefunden haben, während im Zahnstein einer anderen Person aus Tel Erani Bananenproteine identifiziert wurden. Alle drei Lebensmittel dürften über Südasien in die Levante gelangt sein. Bananen wurden ursprünglich in Südostasien domestiziert, wo sie seit dem fünften Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung verzehrt wurden. Nach Westafrika kam die gelbe Frucht allerdings erst 4.000 Jahre später. Über ihren dazwischenliegenden Handel oder ihre Verwendung ist dagegen wenig bekannt.

Unsere Analysen liefern daher wichtige Informationen über die Verbreitung der Banane auf der ganzen damaligen Welt", sagte Stockhammer. "Bisher hatten keine archäologischen oder schriftlichen Belege eine so frühe Ausbreitung in den Mittelmeerraum nahegelegt. Ich finde es spektakulär, dass zu einem so frühen Zeitpunkt in der Geschichte Lebensmittel über große Entfernungen ausgetauscht wurden."

Pfeffer in der Nase

Die Wissenschafter gestehen ein, dass sie natürlich nicht ausschließen können, dass die jeweiligen Personen einen Teil ihres Lebens in Südasien verbracht und die Bananen oder das Kurkuma nur während ihres dortigen Aufenthalts konsumiert haben. Und doch: Auch wenn das Ausmaß, in dem Gewürze, Öle und Früchte importiert wurden, noch nicht bekannt ist, existieren viele Hinweise darauf, dass tatsächlich interkontinentaler Handel betrieben wurde. Pharao Ramses II. beispielsweise wurde im Jahr 1213 vor unserer Zeit mit Pfefferkörnern aus Indien beigesetzt. Man hat sie übrigens in seiner Nase gefunden. (red, 26.12.2020)