Peter Bosek bringt gerade seine Bücher nach Tallinn. Der gesamte Hausrat kann nicht mit, einiges wird im Self-Storage-Verfahren eingelagert. Umzugsphase.

Per 31. Dezember scheidet er als Vorstandschef der Erste Bank und als Vorstand der börsennotierten Mutter Erste Group Holding aus und tritt danach seinen neuen Job als Vorstandschef der baltischen Luminor Bank an.

Peter Bosek (52) studierte Rechtswissenschaften und arbeitete als Uni-Assistent, bevor er in die Erste eintrat. Er gilt als Innovator in der Ersten, etwa als "Vater" von George. Mit Jahreswechsel steht er der baltischen Luminor Bank vor, die sich mehrheitlich im Besitz von Blackrock befindet.
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Er war über 20 Jahre in der Ersten, mehrheitlich in Führungsfunktionen. "Man hat sich bei ihm immer ausgekannt", "man wusste immer, ob es wichtig ist oder nicht", "Mikromanagement war nie seines" – das Feedback unmittelbarer Mitarbeiter an den Vorstand Bosek fällt löblich aus.

STANDARD: Nach vielen Jahren Führung – was sind die Learnings?

Bosek: Das hat sich über die Jahre verändert. Ich hatte das Glück, immer Vorgesetzte zu haben, die mich zwar ins kalte Wasser gestoßen haben, aber mit dem Grundvertrauen, dass ich mich auch zurückfallen lassen kann. Das war wahrscheinlich eine der prägendsten Erfahrungen für mich, die anderen Führungskräfte in der Bank waren ja ein gutes Stück älter als ich. Alles richtig gemacht habe ich bestimmt nicht, ich habe beispielsweise einige unnötige Mails geschrieben. Führen via Mail, via Schriftlichkeit ist sowieso ein Quatsch.

STANDARD: Worauf muss man grundsätzlich aufpassen in einer Führungskarriere?

Bosek: Auf sein Ego, weil das boostet man natürlich auf eine Art. Das geht auch bis zu einem gewissen Punkt gut. Wenn man selber merkt, dass das passiert, dann ist es wichtig, das zurückzunehmen. Es geht ja nie darum, dass du der Gescheiteste am Tisch bist, das geht auch gar nicht, man kann ja viel besser durch Fragen führen.

STANDARD: In der Bilanz vor der neuen Funktion im Baltikum – was waren persönlich die erfolgreichsten Zeiten im Beruf?

Bosek: Diejenigen mit den diversesten Teams und blitzgescheiten Leuten. Man hat ja eigentlich die Tendenz, soziale Entsprechung und Ähnlichkeit zu suchen, weil es angenehm ist. Aber es ist nicht gut.

STANDARD: Was hat immer geholfen in nicht so tollen Phasen?

Bosek:Ich würde sagen, dass mein Lebensglück nicht von meinem Job abhängt. Ich liebe meinen Job, aber ich war ohne diesen Job auch schon sehr glücklich. Ich habe in der Studienzeit viel ausprobiert, ich war von Möbelpacker bis Bademeister alles Mögliche. Bademeister war übrigens mit Abstand am besten bezahlt. Ich habe an der Uni angefangen als Assistent und das Gleiche verdient wie zuvor als Bademeister. Wichtig ist, authentisch zu sein.

STANDARD: Was bedeutet das genau?

Bosek: Ich tu mir mit einer solchen Echtheit recht leicht, ich kann mich nicht verstellen. Mir sieht man in der Sekunde an, ob ich etwas mag oder nicht. Das wurde auch gelegentlich bemängelt, aber die Menschen wissen jedenfalls immer, woran sie sind.

STANDARD: Aber es lieben wohl nicht alle, sofort klar zu sehen, dass man Ihnen auf die Nerven geht ...

Bosek: Fair Point.

STANDARD: Nehmen mit zunehmendem Aufstieg die Schmeicheleien zu, wird man öfter angelogen?

Bosek: Klar verändern sich Menschen in ihrem Verhalten, wenn du andere Funktionen hast. Tendenziell werden sie nicht kritischer. Aber ich habe Menschen um mich, die mir sagen, wenn ich Blödsinn rede.

STANDARD: Sind das Kritiker, oder sind das eher Hofnarren?

Bosek: Kritiker. Das ist mir auch sehr recht so. Ich lerne gerne über und von Menschen, ich menschle gerne. Ich bin ein Beziehungsmensch, und es macht mich happy, miteinander so zu arbeiten, dass wir unsere Optionen ausschöpfen können.

STANDARD: War die Richtung immer klar?

Bosek: Ich habe zu allem eine starke Meinung. Manchmal macht es das Leben für andere leichter, mich nicht zu fragen. Aber zu klassischer Karriereplanung kann ich wenig sagen, Ich glaube daran so nicht, es gibt so viele Faktoren, die man einfach nicht einberechnen kann, es kann so viel passieren.

STANDARD: Als Führungskraft – was würden Sie nie, nie wieder machen?

Bosek: Da fällt mir nichts ein – aber vielleicht bin ich nur gut im Verdrängen. Man darf sich selbst nicht zu ernst nehmen – ich meine damit nicht, ein Kasperl zu sein –, man muss immer von außen auf sich selbst blicken. Nur beseelt von der eigenen Idee hineingehen und anderen damit gar keinen Spielraum lassen, das führt zu keinen guten Ergebnissen. Da bin ich auch wieder bei der Diversität. Je höher man aufsteigt, desto mehr blinde Flecken ergeben sich notgedrungen. Jede und jeder andere, die und der sich da einbringt, macht eine Entscheidung besser.

STANDARD: Eine Grundvoraussetzung für Führung?

Bosek: Man muss Menschen mögen. Und wissen, dass nicht die Mitarbeiter für einen da sind, sondern genau umgekehrt. Es gibt zwar sehr viele Moden und Wellen in der Führungslehre, aber grundsätzlich ist Führung ein Dienstleistungsjob.

STANDARD: Aber im Vorstand ein exponierter.

Bosek: Ja sicher. Unternehmen brauchen auch Menschen, die sich exponieren. Das ist sehr oft ein Risiko, das muss man mögen.

STANDARD: Hat die Karriere Opfer abverlangt?

Bosek: Zeitlich ohne Ende. Irgendwie passiert einem das so, dass man einen Großteil seines Lebens damit einlöst. Das Lernen dabei passiert nicht linear, sondern in Schüben, abhängig von den Dingen, an denen man arbeitet, und abhängig von den Persönlichkeiten, mit denen man arbeitet. Ich habe in Summe Glück gehabt, ich hatte nie allzu viele Chefs über mir. Zu viel Hierarchie – das finde ich erdrückend.

STANDARD: Kennen Sie so etwas wie Angst oder Furcht?

Bosek: Beruflich nicht. Natürlich war es megaunangenehm in der Finanzkrise. Aber ich habe immer die Überzeugung, dass es gut ausgeht. Ich bin von meinem Naturell her voller Zuversicht.

STANDARD: Mit fortschreitenden Jahren oder gerade bei einem Wechsel in ein anderes Unternehmen nach so vielen Jahren: Hat man da den Wunsch, auch Footprints hinterlassen zu haben?

Bosek: Das ist natürlich ein hehrer Anspruch. Unternehmenskultur hat stark mit Personen zu tun, und die wirken eben, solange sie da sind. Es bringt wohl jede und jeder an der Spitze einen spezifischen Spirit ein. (Karin Bauer, 26.12.2020)