Junge Menschen brauchen Erwachsene, die sie so annehmen, wie sie sind.

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Offenbar gehört das Missverhältnis zwischen Anforderungen und Ausgangslage zu den Konstanten unserer Entwicklung. Und doch ist jede Generation Eltern, Erziehungsexperten und Ausbilder der Meinung, dass es noch nie so schlimm war wie jetzt gerade. Mir geht es nicht um eine empirisch belegbare Aussage, ob das richtig oder falsch wäre. Vielmehr geht es mir darum, zu einem anderen Denkansatz zu motivieren.

Beginnen wir unsere Überlegungen beim Begriff Unternehmer. Im Wortsinn ist der Unternehmer jemand, der etwas unternimmt. Würde ein Produktionsrohstoff nicht mehr in der gewünschten Qualität verfügbar sein, was würde unser Unternehmer tun? Er würde nach neuen Quellen suchen, die Produktionsmethoden verändern oder mittels Hilfsstoffen, wie etwa mit Legierungen oder Schutzschichten, die benötigte Qualitätsstufe zu erreichen. Und natürlich würde diese für das Unternehmen lebenswichtige Forschung ganz oben auf der Agenda des Vorstands stehen.

Falsche Schuldzuweisungen

Seit Jahren verlieren wir eine der wichtigsten Grundlagen für unsere Betriebe, egal was wir anbieten. Denn die Anzahl an potenziellen Bewerbern wird immer geringer, die geburtenschwachen Jahrgänge sind eine Realität. Gleichzeitig werden wir in den nächsten Jahren viele langjährige und erfahrene Mitarbeiter in deren Ruhestand verabschieden. Und trotzdem leisten wir uns immer noch die Luxusdiskussion, dass die Eignung der Bewerber zu schlecht ist und wer daran schuld sei. Vorzugsweise sind das immer das Schulsystem oder die Eltern, manchmal auch beides in Kombination. Dabei entgeht uns, dass sich durch die Jahre an Diskussionen bisher offenbar wenig verändert hat. Aber warum sollte es das auch, wenn das schon im antiken Griechenland ähnlich war? Die zunehmende Dynamik am Arbeitsmarkt, bei der wir gerade erst am Anfang stehen, verstärkt die Notwendigkeit, selbst etwas zu unternehmen. Da wäre er wieder, der Wortsinn.

Das betrifft insbesondere den Mittelstand, der seine Leistungen nicht so einfach in ein anderes Land mit vielversprechenderem Arbeitskräftepotenzial verlegen kann. Beginnen wir doch damit, Bewerbergruppen anzusprechen, die wir bisher nicht in Betracht zogen. Da wären Jugendliche dabei, die aus unterschiedlichsten Gründen mit der Schule nicht zurechtkommen. Das hat oft nichts mit Intelligenz zu tun, sondern liegt an Lebensphasen, Desinteresse am Lehrstoff und am schulischen Lernen an sich. Oder schlicht daran, dass der Betroffene eben lieber aktiv wäre.

Hilfestellung leisten

Junge Menschen brauchen Erwachsene, die sie so annehmen, wie sie sind. Die auf dem, was da ist, aufbauen und den Ehrgeiz wecken, besser zu werden. Auch hier unterstellen wir, dass die heutige Jugend keinen Ehrgeiz mehr hat, außer ihre Freizeit zu genießen. Dann ist aber nicht zu verstehen, warum Start-ups meist keine Probleme haben, junge Menschen zu finden. Die dann weit mehr Stunden arbeiten, als jeder Kollektivvertrag vorsieht. Junge Menschen brauchen aber auch manchmal die eine oder andere Hilfestellung. Das kann nicht von jedem Unternehmen für sich erledigt werden.

Aber was hindert uns daran, es gemeinsam umzusetzen? Zum Beispiel im Rahmen regional organisierter Nachhilfen. Bei denen mehrere Unternehmen gemeinsam Grundfertigkeiten stärken, die nicht ausreichend vorhanden sind. So schwierig wäre das gar nicht, denn es geht sowieso immer um dieselben Mankos. Das wäre doch eine lohnende Aufgabe für Kammern, Interessenvertretungen oder regionale Initiativen (wie beispielsweise "Leader"). Um gemeinsam das Potenzial an Bewerbern zu erhöhen und mit gutausgebildeten Fachkräften die Regionen zu stärken. (Robert Frasch, 29.12.2020)