Für eine tatsächliche Annäherung müsste sich die antiisraelische Rhetorik von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ändern, außerdem müssten die engen Beziehungen der türkischen Regierung zur Hamas beendet werden.

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Im Windschatten der Wahl des neuen US-Präsidenten Joe Biden bereitet die Türkei eine Annäherung an Israel vor. Während Präsident Recep Tayyip Erdoğan öffentlich noch gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mehrerer arabischer Länder mit Israel polemisierte, war er selbst schon dabei, klammheimlich erste Schritte zur Wiederherstellung voller diplomatischer Beziehungen zu dem Nahost-Staat einzuleiten. Im Mai 2018 hatte Erdoğan seinen Botschafter unter großem Getöse aus Tel Aviv abgezogen, nachdem die israelische Armee einen blutigen Angriff auf den Gazastreifen durchgeführt hatte.

Deutlichstes Zeichen dieser Bemühungen ist die Ernennung eines zukünftigen neuen Botschafters für Israel im Rahmen einer größeren Botschafterrochade im türkischen Außenamt vor zwei Wochen. Diese Ernennung geschah so unauffällig, dass sie in den türkischen Medien kaum Erwähnung fand, sondern erst israelische Zeitungen und der katarische Sender Al-Jazeera darauf hinwiesen.

Kenner der Region

Dabei ist der Mann, der als zukünftiger Botschafter in Tel Aviv ausgewählt wurde, durchaus bemerkenswert. Der 40-jährige Ufuk Ulutaş kommt nicht aus dem Auswärtigen Dienst, sondern war zuletzt Chef des Zentrums für Strategische Forschung"(SETA), einem regierungsnahen Thinktank. Ulutaş gilt als persönlicher Vertrauter Erdoğans, kennt sich in der Region aus und hat sogar eine Zeitlang in Israel Hebräisch studiert.

Bis es so weit ist, müssen allerdings noch einige Hindernisse aus dem Weg geräumt werden: Nicht zuletzt Erdoğans antiisraelische Rhetorik sollte sich ändern, und die engen Beziehungen der türkischen Regierung zur Hamas müssten beendet werden. Erdoğan dürfte das sehr schwerfallen, doch es gibt eine Reihe realpolitischer Gründe, die eine Wiederannäherung sinnvoll erscheinen lassen.

Isolation im Erdgasstreit

Erdoğan hat sich mit seiner Politik, darunter eben auch der geradezu fanatischen Unterstützung der islamistischen Hamas, in der Region völlig isoliert. Im Streit um die Ausbeutung der Erdgasvorräte im östlichen Mittelmeer hat sich das besonders deutlich gezeigt. Wie nützlich dagegen eine Zusammenarbeit mit Israel sein kann, erlebte Erdoğan gerade im Kaukasus, wo die israelische Unterstützung Aserbaidschans neben der der Türkei erheblich zum Sieg gegen Armenien beigetragen hat.

Nach Berichten des Nachrichtendienstes Al-Monitor hatte Erdoğan aber bereits vor der US-Wahl im November und auch weit vor dem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien seine Fühler nach Israel ausgestreckt. Bereits im Oktober schickte er danach seinen Geheimdienstchef Hakan Fidan nach Tel Aviv, wo dieser sich mehrmals mit Vertretern des Mossad traf.

Möglicher Deal mit Israel

Die Gespräche waren anscheinend ermutigend, denn wenig später erschien in einem Journal des Moshe Dayan Center für Nahost-Studien der Universität Tel Aviv ein Beitrag des früheren türkischen Admirals Cihat Yaycı, der in einschlägigen Kreisen für erhebliches Aufsehen sorgte.

Yaycı gilt als Architekt des Meeresabkommens mit Libyen, in dem die Türkei mit der Regierung in Tripolis eine Vereinbarung über jeweilige ausschließliche Wirtschaftszonen im Mittelmeer abschloss, die massiv gegen die Interessen Griechenlands verstößt. Ein ähnliches Abkommen schlug Yaycı in seinem Artikel nun Israel vor, dieses Mal auf Kosten von Meeresgebieten, die Zypern für sich beansprucht. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass es sehr von Vorteil für Israel wäre, sich im Konflikt um die Ausbeutung der Gasvorräte aus der Allianz mit Griechenland und Zypern zu lösen und stattdessen mit der Türkei zusammenzuarbeiten.

Israelische Diplomaten sollen zwar intern bereits einen solchen Deal abgelehnt haben, doch Erdoğan hat damit einen Stein ins Wasser geworfen, der noch weitere Kreise ziehen könnte. Wenn der derzeitige Machtkampf in Israel entschieden ist, wird sich zeigen, wie es weitergeht. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 23.12.2020)