Hans Peter Doskozil und sein Mund: Er probiert es eh immer wieder, aber es will halt nicht immer gelingen.

Foto: APA/Robert Jäger

Jasmin Puchwein hatte am Dienstag auf Twitter alle Hände voll zu tun. Ihr Chef hatte nämlich eine Pressekonferenz zu einem eigentlich völlig unverfänglichen Thema gegeben. Man wollte, wohlig gestimmt schon, zurückschauen aufs Jahr 2020. Motto: So gut ist die alleinregierende burgenländische SPÖ. Und tatsächlich ist das, vom Mindestlohn bis zur Biowende, ja nicht nix.

Aber der Chef der jungen, fleißigen, umtriebigen Jasmin Puchwein ist Hans Peter Doskozil. Und das hat das gerade ablaufende Jahr halt auch gezeigt: Zuweilen geht dem burgenländische Landeshauptmann recht leicht das G’impfte auf. Und dann der Mund über. Und immer dann muss die Pressesprecherin in die Twitteria. Verständnishilfe anbieten. Darlegen, was der Chef eigentlich gemeint hat.

Gentechnik

Es wurde ein recht ausführlicher Thread, an dessen Ende ein jeder sich freilich fragt, warum Doskozil, was er gemeint hat, nicht auch gesagt hat. Sondern stattdessen zum Beispiel: "Ist die Impfung gentechnisch verändert oder nicht?"

Das vorweihnachtliche Wohlfühlthema "Wir pannonischen Roten sind super" hat ein ORF-Kollege gestört, indem er den Landeshauptmann nach dem burgenländischen Impfplan gefragt hat. Mehr hat er nicht gebraucht – der Impfplan, der Bund im Allgemeinen und im Besonderen Sebastian Kurz und seine PR-Aktion und sein Show-Impfen.

Kritik und Keppeln

Es war nicht das erste Mal, dass dem Hans Peter Doskozil die Zunge davongaloppiert ist, sei es Richtung türkis-grüner Bundesregierung, sei es gegen die eigene blut- oder blassrote Bundespartei. Im Zusammenhang mit der Commerzialbank ritt er Attacken gegen die Medien, den "Kurier" im Besonderen. Selbst Wohlmeinende tun sich da manchmal schwer, die kantige Kritik vom bloßen Keppeln zu unterscheiden.

Diesmal war es besonders – nun ja: erstaunlich. Pamela Rendi-Wagner, seine Parteivorsitzende, mag er in vielen Bereichen mit einigem Recht als wenig sattelfest, wenig rampentauglich, wenig vorsitzfähig anschauen. Aber in Virus-, Pandemie- und Impffragen ist sie zweifellos die Kompetenteste in der gesamten Spitzenpolitikerriege.

Mit seinen merkwürdig hervorsprudelnden Fragen – von denen manche ja durchaus was auf sich haben, manche eher auf die Hutmoden Bezug nehmen – hat er Rendi-Wagner ohne jede Not desavouiert. Er ist ihr – ohne Not oder parteiinternen Anlass – gegens Standbein gegrätscht. Jetzt muss sie, statt auf die Fehler der Regierung hinzu-, die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Wieder einmal.

Großes Binkerl

Hans Peter Doskozil, dessen sozialdemokratischer Realismus der SPÖ, wenn schon nicht Leben eingehaucht, so doch eine lebendige Debatte beschert hat, hat ein großes Asset in einer Welt der gecoachten und gestriegelten Rhetoriker: Er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

Hans Peter Doskozil hat aber auch ein großes Binkerl mit sich zu tragen: Er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

Reden ist Silber

Falls Jasmin Puchwein noch kein Weihnachtsgeschenk hat für den Chef, böte sich das lehrreiche Buch des Anicius Manlius Severinus Boethius an. Gibt es auch auf Deutsch, heißt "Trost der Philosophie".

Der berühmteste, Jahrhunderte überdauert habende Satz darin lautet: "Si tacuisses, philosophus mansisses." Also: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Ein schweres Unterfangen, gewiss. Nicht nur in der Politik. Aber dort eben auch. (Wolfgang Weisgram, 23.12.2020)