Concordia-Geschäftsführerin Daniela Kraus.

Foto: Concordia/Luiza Puiu Illustration: Armin Karner

Concordia-Geschäftsführerin Daniela Kraus im Etat-Fragebogen zur Medienprognose 2021

Was erwarten Sie von 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? http://derStandard.at/Etat hat Medienmanager*innen, Journalist*innen und Expert*innen aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten.

Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir nun in den nächsten Tagen.

"Radikale Erneuerung wird immer dringlicher"

Hier die Prognosen von Daniela Kraus für 2021:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen über Entwicklungen, Herausforderungen ...

  • "Die radikale Erneuerung von Produkten, Erlösmodellen und dem Verhältnis zum Publikum wird immer dringlicher, aber nicht in ausreichendem Maße bearbeitet. Weil a) Ressourcen fehlen und b) Erlösausfälle und damit die Dringlichkeit durch Sonderförderungen und Regierungsinserate abgefedert werden.
  • Der Druck durch aufgerüstete PR- und Kommunikationsapparate in Politik und Wirtschaft steigt weiter. Besonders, weil die Redaktionen weiter schrumpfen.
  • Angriffe auf Journalist*innen und Medien durch Spinner und rechte Agitatoren steigen weiter und werden sichtbarer.
  • Die ORF-Wahl lähmt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, es gibt keine relevanten und demokratiepolitisch sinnvollen Reformen.
  • Es gibt ein neues Informationsfreiheitsgesetz, aber es bleibt durch die Bedenken und den Druck auskunftspflichtiger Stellen (bis auf Gemeindeebene) unter den Erwartungen – und die Möglichkeiten werden von den Journalist*innen und Redaktionen dann ohnehin nicht in dem Maße genutzt, wie es sinnvoll und möglich wäre."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen).

  • "Der 'Aktionsplan zur Unterstützung der Medien und des audiovisuellen Sektors und ihres Wandels' der EU-Kommission wird breit wahrgenommen und diskutiert – auch in der Medienbranche, die daraus Forderungen an Medienpolitik (und die eigenen Unternehmen) ableitet.
  • Das Bewusstsein für die demokratiepolitische Notwendigkeit von Journalismus steigt weiter und ist im öffentlichen Diskurs präsenter.
  • Es gibt einige innovative Projekte und Neugründungen, unterstützt durch Fördergelder und Stiftungen.
  • Das Know-how und der unternehmerische Geist für Neugründungen steigen, einige überleben.
  • Die Digitalförderung führt hoffentlich nicht zu weiterer Marktverzerrung, sondern ermöglicht in diesem Sinne interessante Projekte."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten).

  • "Intervention, Intrige und Lähmung des ORF durch die GD-Wahl.
  • Eine verhunzte Digitalförderung und weitere marktverzerrende Covid-Sonderförderungen.
  • Weiterhin intransparente Inseratenvergabe – nämlich im Sinne von Intransparenz bei Zielen, Strategien und Kriterien – durch öffentliche Stellen.
  • Ein Informationsfreiheitsgesetz, mit dem das Thema von Politik ad acta gelegt werden kann, das aber den Status quo nicht wesentlich verbessert.
  • Zu wenig Resilienz gegen implizite oder explizite Deals für unkritische Berichterstattung im Austausch für Sonderförderungen und Inserate, zu wenig Gelassenheit oder Widerstand gegenüber Interventionen und/oder Schmeicheleien und zu wenig fundierte, über das Tagesaktuelle hinausgehende, analytische Kritik."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"Mit dem Paradoxon, dass in Krisen weiterhin die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Qualitätsmedien steigt/stark ist und das Publikum diesen Medien auch vertraut und sie für glaubwürdig hält, andererseits dieser Trend sich aber zu wenig auf die Zahlungsbereitschaft und die Nutzung auch außerhalb von krisenhaften Perioden auswirkt – anders gesagt: dass Journalismus in diesen Zeiten sehr aufwendig ist, aber schwer etwas damit zu gewinnen ist."

Qualitätskriterien für öffentliche Inserate, ein Infofreiheitsgesetz nach internationalem Vorbild

Weitere Prognosen der Concordia-Managerin und Medienforscherin zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • Angriffe auf Journalist*innen würden zunehmen, Kraus erwartet "verstärkt akkordierte Online-Attacken vor allem auf Journalistinnen, wo hoffentlich mit der neuen Gesetzeslage gegengesteuert werden kann. Gleichzeitig erwarte ich ein Überschwappen auf die Straße – insbesondere bei Demos."
  • Kraus' Prognose zu Österreichs Position 2021 im weltweiten Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen: "Bleibt gleich, eher eine Verschlechterung, weil nun auch die Angriffe auf Journalist*innen (on- und offline) wahrgenommen werden."
  • Arbeitsbedingungen für Journalist*innen würden sich 2021 verschlechtern.
  • Eine weitere Corona-Medienförderung erwartet Kraus, sie werde "weitgehend 2020, also ohne Kriterien und mit Bevorzugung des Boulevards, vielleicht mit ein paar kosmetischen Änderungen" ausfallen.
  • Die Concordia-Geschäftsführerin plädiert (neuerlich) für Qualitätskriterien für Medienförderungen und öffentliche Inserate.
  • Kraus rechnet mit Strukturänderungen in ORF-Führung und -Gremien bis 2026. Ihre Empfehlungen: "Am wichtigsten: mehr Expertise und mehr politische Unabhängigkeit für den Stiftungsrat, außerdem auch hier: transparente Kriterien und Auswahlprozesse bei der Bestellung. Sie verweist auf die Concordia-Forderungen für eine ORF-Gremienreform – wie etwa: "Den Aufsichtsorganen kommt eine Schlüsselrolle bei der Wahrung und Gewährleistung der Unabhängigkeit von öffentlich-rechtlichen Medien zu. Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass ein Aufsichtsorgan seine Rolle als Garant der Unabhängigkeit erfüllt, wenn es nicht selbst unabhängig und ausgewogen oder pluralistisch zusammengesetzt ist. Insbesondere muss verhindert werden, dass politische Parteien einen bestimmenden Einfluss in diesen Gremien gewinnen. Zentral sind effizientere Führung einerseits und eine möglichst breite Repräsentanz unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen bei gleichzeitiger Politikferne andererseits."

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 27.12.2020)