Die Spatzen, die ja im Gegensatz zu den Kollegen Zugvögel auch im Winter die Stellung zu halten pflegen, pfiffen es zuletzt schon von den Dächern. Stefan Kraft dürfte trotz seiner Rückenprobleme die 69. Vierschanzentournee schmücken. Gregor Schlierenzauer wird dagegen in den ersten beiden Springen am 29. Dezember in Oberstdorf und am 1. Jänner in Garmisch-Partenkirchen sicher nicht mit von der Partie sein. Österreichs Cheftrainer Andreas Widhölzl berief den Routinier nicht in sein siebenköpfiges Aufgebot.

Das Gesicht des Favoriten der 69. Tournee: Halvor Egner Granerud aus Norwegen.
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"Ich muss akzeptieren, dass meine Leistungen nicht gut genug waren", schrieb Schlierenzauer in seinem Blog. "Es ist bitter für den Gregor, aber auch verständlich", sagte dessen Mentor Werner Schuster dem STANDARD. Der Saisonverlauf des 30-jährigen Siegers von 53 Weltcupspringen entsprach nach Ansicht des ehemaligen Cheftrainers der deutschen Asse dem "Worst Case". Schlierenzauer war nach dem Meistertitel auf der Normalschanze hoffnungsfroh in seine Weltcupkampagne gestartet, erkrankte nach schwachem Start in Wisla an Covid-19 und konnte erst bei der Skiflug-WM wieder in die Anlaufspur. "Skifliegen aus dem Bett heraus ist schwierig", sagt Schuster, "auch für den Kopf. Es war schwer, sich freizuspringen."

Einspringer

Zudem hätten sich Teamkollegen in der Zwischenzeit mit guten Leistungen in den Vordergrund geschoben. Sein Schützling dürfe nicht nachsinnieren, rät Schuster, der die zuschauerlosen Corona-Tourneespringen für Eurosport analysiert. Immerhin können wesentlich mehr Österreicher im Rahmen der nationalen Gruppe die Heimspringen in Innsbruck (3. Jänner) und Bischofshofen (6. Jänner) bestreiten.

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Offen ist, ob Schlierenzauer, der die Tournee zweimal gewann, am 27. und 28. Dezember im Continentalcup in Engelberg Sprungpraxis sammeln soll. Die Tatsache, dass aktuell keine Großschanze in Österreich zu Trainingszwecken sprungfertig ist, könnte die Entscheidung erleichtern.

Stefan Kraft, der die Skiflug-WM in Planica schon nach dem Training wegen seiner Rückenprobleme abhaken musste, absolvierte nach zwölftägiger Pause drei Trainingssprünge in Seefeld. Völlig wiederhergestellt ist der 27-Jährige, der die Tournee 2019/20 als bester Österreicher ohne Tagessieg auf dem fünf Rang abgeschlossen hatte, allerdings noch nicht.

Österreichs Hoffnungen tragen unter diesen Umständen Philipp Aschenwald, Michael Hayböck und Daniel Huber. Huber hat als Zweiter in Nischnij Tagil, Russland, und Dritter in Wisla die bisherigen österreichischen Podestplätze dieser Saison gelandet.

Forscher Ersatz

Hayböck überzeugte als Vierter der Flug-WM. Thomas Lackner und Markus Schiffner, erst nach mehrerer Covid-19-Fällen in die Mannschaft gekommen, stachen Schlierenzauer mit Top-Ten-Plätzen in Russland aus. Jan Hörl sicherte Österreich als Führender des Kontinentalcups einen zusätzlichen, den siebenten Startplatz. Große Chancen, es dem bisher letzten Tourneesieger, dem Polen Dawid Kubacki, gleichzutun, werden keinem Österreicher eingeräumt.

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Dafür gibt es einen haushohen Favoriten auf den bescheidenen Siegespreis in Höhe von 20.000 Franken. Nach fünf Weltcuperfolgen en suite sollte Halvor Egner Granerud auch bei der Vierschanzentournee der große Wurf gelingen. "Ich werde schon morgen damit anfangen, von Oberstdorf zu träumen", hatte der 24-jährige Norweger nach den beiden Triumphen bei der Generalprobe in Engelberg gesagt. Der wesentlich routiniertere Robert Johansson sieht seinen Teamkollegen in "ganz enormer Form. Er hat die vollkommene Kontrolle über das, was er tut, und vertraut sich. Deshalb kann er Sprung für Sprung auf himmelhohem Niveau abliefern." (Sigi Lützow, 23.12.2020)