Leroy Satchel Paige beim Aufwärmen für ein Spiel seiner Kansas City Monarchs in der Negro League gegen die New York Cuban Stars. Die MLB hat der Liga nachträglich den Status einer "major league" verliehen und zählt nun auch die Statistiken der insgesamt 3.400 Spieler.

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Den Historikern rauchen schon die Köpfe. Genau genommen tun sie das ja schon immer: In jedem Jahr überprüfen die geschichtsversessenen Statistiker der nordamerikanischen Baseball-Profiliga MLB etwa 2000 Fälle aus der Vergangenheit, damit die Aufzeichnungen auch wirklich stimmen. Gerade erst haben diese Menschen Belege dafür gefunden, dass der Pitcher Pete Dowling mal einen No-Hitter geworfen haben könnte – also keinen Treffer zuließ. Das Spiel fand am 30. Juni 1901 statt.

Der Fall Dowling ist beileibe keine Marginalie: Er hätte, so es sich nun in der Tat nachweisen lässt, den ersten No-Hitter der American League geworfen. Die Folge: Die Geschichtsbücher müssten in einem eminent wichtigen Punkt umgeschrieben werden. Und das ist erst der Anfang, denn: Gerade hat die Major League Baseball (MLB) beschlossen, den "Negro Leagues" den höchsten Status zu verleihen, sie also auf eine Stufe zu stellen mit ihren vereinigten "Major"-Ligen American und National League.

Rassentrennung bis 1948

In der Tat waren die "Negro Leagues" Profiligen. Die ersten Klubs wurden bereits 1887 gegründet – weil Schwarze nicht in den "weißen" Ligen mitspielen durften. Die Rassentrennung in der MLB endete erst, nachdem 1948 die Brooklyn Dodgers den Schwarzen Jackie Robinson verpflichtet hatten. Doch erst in diesem Jahr, dem mittlerweile offiziell 100. Gründungsjahr der "Negro Leagues", und auch unter dem Eindruck der Rassenunruhen in den USA, rang sich die MLB zur Anerkennung durch.

Nachträglich eingerechnet werden nur die Jahre 1920 bis 1948 – doch selbst in diesem kurzen Zeitraum gab es wohl historische Leistungen. Bislang gilt etwa der umstrittene Barry Bonds als der Mann mit den meisten Homeruns insgesamt (762) und in einer Saison (73). Nun allerdings könnte Josh Gibson auf Platz eins rücken. Gibson wurde der "schwarze Babe Ruth" genannt, er ist schon in die Hall of Fame aufgenommen worden. Die Historiker schätzen, dass er mehr als 800 Homeruns geschlagen hat.

Rassismus

Lächerlich? Nun ja. Es wäre in etwa so, als tauche plötzlich ein Fußballspieler auf, der mehr Erstligatreffer erzielt hat als Gerd Müller. Gibson hatte außerdem in der Saison 1943 eine Trefferquote von 44,1 Prozent erreicht, er überträfe damit die bisherige Bestmarke (44,0) eines gewissen Hugh Duffy von 1894. Die lebende Legende Willie Mays (91), ein 24-maliger All Star der MLB und Schwarzer, bekäme zu seinen 3.283 Hits nachträglich weitere 16 Hits gutgeschrieben. Lächerlich? Von wegen!

Die späte Anerkennung der sieben Franchises und damit der Leistungen von immerhin etwa 3.400 Spielern der "Negro Leagues" wird weitgehend begrüßt. Bob Kendrick, Präsident des Negro Leagues Baseball Museums, zeigte sich "begeistert" und sprach von einer "verdienten" Würdigung. Andere kritisierten, diese Eingliederung komme in Wahrheit viel zu spät – und aus den falschen Gründen.

Einverleibung

Die "Negro Leagues", schrieb der Kolumnist Howard Bryant bei ESPN, seien das Resultat von Rassismus gewesen, und die MLB gehe über ihre Sünden einfach hinweg, indem sie sich Spieler dieser Ligen einfach einverleibe. "Anstatt seinen historischen Teil der Schuld zu tragen, wie wir es alle müssen, verzerrt Baseball das Bild und erinnert uns so daran, dass in Amerika jede Heilmethode eine Option ist – mit Ausnahme der Wahrheit." (sid, 27.12.2020)