Der in Umfragen gemessene Höhenflug in der Kanzlerfrage ist nach einem Dreivierteljahr Covid-Krise für Kanzler Kurz vorerst vorbei.

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Wien/Linz – Die Zeit der Höhenflüge für Bundeskanzler Sebastian Kurz ist offenbar vorbei: Die aktuelle Market-Umfrage sieht Kurz in der – hypothetischen – Kanzlerfrage nur bei 31 Prozent. Das ist ein deutlicher Abstand zum 52-Prozent-Ergebnis, das Kurz auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle in der Karwoche verbuchen konnte.

Alle außer Neos betroffen

Während der ersten Phase der Pandemie und dem rigoros durchgesetzten Lockdown im Frühjahr konnte sich die Regierung außergewöhnlich hoher Zustimmung erfreuen. Inzwischen ist diese Zustimmung aber weitgehend weggebrochen – und zwar nicht nur für die Regierung, sondern für beinahe alle Parteien.

Market-Studienleiter David Pfarrhofer, der die Umfrage für den STANDARD durchgeführt hat, warnt allerdings vor einer Überinterpretation: "Auch wenn das manche Leute als Absturz bezeichnen würden, ist das doch nur eine Normalisierung, noch dazu auf hohem Niveau, verglichen mit früheren Bundeskanzlern. Was die aktuelle Befragung aber zeigt, ist eine generelle Unzufriedenheit mit der Politik im Corona-Jahr."

DER STANDARD ließ fragen, wie sich die einzelnen Parteien im Jahr nach Nationalratswahl und Regierungsbildung den Bürgerinnen und Bürgern präsentieren – und beinahe allen Parteien wird überwiegend attestiert, dass sie schlechter dastehen als bei der Wahl. Nur bei den Neos gibt es einen leicht positiven Saldo: 42 Prozent meinen, dass die Neos heute besser dastünden, 38 Prozent meinen das Gegenteil.

Sonntagsfrage reicht nicht aus

In der Frage, wen man am nächsten Sonntag wählen würde, schlägt sich all das bisher nur marginal nieder:

  • Die ÖVP kommt in der (hochgerechneten) Sonntagsfrage auf 39 Prozent, eineinhalb Prozentpunkte mehr als bei der Nationalratswahl. Dennoch glauben 53 Prozent der Befragten, dass die ÖVP schlechter dastehe als damals, nur 31 Prozent sehen eine Verbesserung.
  • Ähnlich ist es bei der SPÖ: Sie legt in der Sonntagsfrage von 21,2 bei der letzten Wahl auf 23 Prozent zu – aber nur 35 Prozent trauen ihr diese Verbesserung zu. 46 Prozent sehen eine Verschlechterung. SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner liegt mit 13 Prozent in der Kanzlerfrage deutlich hinter Amtsinhaber Kurz.
  • Die Grünen liegen mit 14 Prozent in der Hochrechnung ziemlich exakt beim letzten Wahlergebnis, Parteichef Werner Kogler käme auf neun Prozent bei einer theoretischen Direktwahl des Kanzlers. Aber auch die Grünen werden überwiegend als Verlierer der politischen Entwicklungen gesehen: 56 Prozent meinen, sie stünden nun schlechter da, nur 27 Prozent sehen eine Verbesserung. Das fällt vor allem deshalb auf, weil den Grünen vor einem Jahr (als ihnen die Rückkehr in den Nationalrat gelungen war und die Regierungsbeteiligung bevorstand) 77 Prozent einen Bedeutungsschub seit der Wahl attestierten.
  • Klarer Verlierer ist die schon bei der Nationalratswahl gebeutelte FPÖ: 13 Prozent in der Sonntagsfrage verweisen sie auf den vierten Platz – mit mehr als drei Prozentpunkten Verlust. Norbert Hofer kommt in der Kanzlerfrage auf neun Prozent – und nur zehn Prozent (in hohem Maße die verbliebenen eigenen Wähler) sehen Verbesserungen für die FPÖ, 76 Prozent aber Verschlechterungen.
  • Die Neos liegen als einzige Partei überall im positiven Bereich: Hochgerechnete neun Prozent in der Sonntagsfrage (bei der Wahl waren es 8,1 Prozent), acht Prozent für Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in der Kanzlerfrage und 42 Prozent, die der Partei zugestehen, dass sie nun besser dastehe als bei der Wahl (38 Prozent sehen eine Verschlechterung). Dafür bietet Pfarrhofer zwei Erklärungen an: Besonders die Befragten aus Wien (wo die Neos nun mitregieren) sehen einen objektiven Bedeutungsgewinn. Und: Auch Wähler anderer Parteien betrachten die Neos mit Milde, was anderen politischen Gegnern nicht zugestanden wird.

Schlechte Noten

Was die Umfrage abseits der Sonntagsfrage, in der die Regierungsmehrheit noch steigt, zeigt: Die Regierung bekommt immer schlechtere Noten. Die 809 Befragten der jüngsten Welle vergaben für die Regierungsperformance zu sechs Prozent ein "Sehr gut", zu 29 Prozent ein "Gut", zu 30 Prozent ein "Befriedigend" und zu 14 Prozent ein "Genügend". Dazu kommen 16 Prozent Fünfer, mehr als je zuvor. Im April hatten noch 26 Prozent einen Einser vergeben.

Die durchschnittliche Beurteilung der Regierung fiel von 2,15 auf 3,05.

Eine weitere Frage drehte sich darum, wie gut die Parteien auf das Jahr 2021 vorbereitet seien. Da liegt die ÖVP mit Note 2,86 deutlich vor den Neos und den Grünen (je 3,18). Die SPÖ erreicht Note 3,32, die FPÖ 4,05. (Conrad Seidl, 28.12.2020)