Proteste für die Freilassung von Zhang Zhan am Montag in Hongkong.

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Sieben Monate lang war Zhang Zhan verschwunden. Als ihre Mutter sie am Montagnachmittag im Gerichtssaal in Schanghai wiedersieht, bricht sie in Tränen aus. Die 37-Jährige sitzt im Rollstuhl, sie hat 20 Kilogramm verloren, und ihr Haar ist kurzgeschoren.

Vier weitere Jahre soll Zhang nun im Gefängnis bleiben. Die Anwältin aus Schanghai war während der strikten Ausgangssperre in Wuhan Anfang des Jahres eine der wichtigsten Stimmen der Elf-Millionen-Metropole. Sie berichtete über Missmanagement der Behörden und Korruption. Das Format waren zumeist kurze Videos, die Zhang über die chinesische Plattform Wechat, aber auch über in China gesperrte Medien wie Twitter und Youtube verbreitete. Die Videos zeigten überfüllte Krematorien, Bürger, denen Gratis-Corona-Tests versprochen worden waren, die aber dann dafür zahlen mussten, oder eine staatlich organisierte "Dankbarkeitsparade", bei der niemand den Behörden wirklich dankbar war.

Altbewährtes Muster Pekings

Einige Wochen ließen die Behörden Zhang und andere Bürgerjournalistinnen und -journalisten gewähren. Es ist ein altbewährtes Muster der kommunistischen Partei: Wenn Missstände einer Provinzregierung aufgedeckt werden sollen, ist freier Journalismus nützlich. Die Zentralregierung in Peking kann sich als Retterin mit weißer Weste präsentieren und die Fehler auf die untere Ebene abwälzen. So war es auch in Wuhan. Als Präsident Xi Jinping im April Wuhan besuchte, war die Pandemie in China offiziell zu Ende – für Bloggerinnen und Journalisten wie Zhang schloss sich das kleine Fenster der Freiheit.

Ihr letztes Video veröffentlichte Zhang am 13. Mai. Kurz darauf wurde sie von der chinesischen Polizei festgenommen und in ein Gefängnis nach Schanghai gebracht. Dort war Zhang 2019 schon einmal inhaftiert gewesen, weil sie mit der Hongkonger Demokratiebewegung sympathisiert hatte. Vergangenen Monat wurde sie offiziell wegen "Verbreitung von Gerüchten und Unruhestiftung" angeklagt. Zudem habe Zhang "Zweifel am Ursprung der Pandemie gesät". Seit sie in Hungerstreik getreten ist, um gegen ihre Haft zu protestieren, wird Zhang zwangsernährt. Ihr Gesundheitszustand sei extrem schlecht, sagen ihre Anwälte.

Der Prozess dauerte am Montag nur wenige Stunden. Und Zhang ist nicht die einzige Bürgerjournalistin in China, die für ihren Mut drakonisch bestraft wird. Rund ein halbes Dutzend Bloggerinnen und Blogger ist derzeit in Haft. (Philipp Mattheis, 28.12.2020)