Seit 2017 tagt der Bundesrat – wie auch der Nationalrat – im Ausweichquartier des Parlaments in der Hofburg.

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Bei ihren Freitestplänen für Jänner muss die türkis-grüne Koalition zittern. Im Bundesrat hat die Koalition keine Mehrheit, die Opposition aus Rot, Blau und Pink kann ein Gesetz also um Wochen verzögern. Unwahrscheinlich ist das nicht, denn weder SPÖ noch Neos sind bisher von der Idee überzeugt, die FPÖ ist ohnehin strikt dagegen. Es wäre nicht das erste Mal in jüngster Zeit, dass die nun 100 Jahre alt gewordene Länderkammer einer Regierung einen Strich durch die Rechnung macht. Vier Beispiele:

Premiere mit absolutem Veto gegen Ökostromnovelle

Die Premiere ist noch nicht lange her: Im Februar 2019 hat der Bundesrat erstmals in seiner Geschichte einen Gesetzesbeschluss verhindert. Die damalige türkis-blaue Koalition wollte mit einer Novelle des Ökostromgesetzes 47 Biomassekraftwerke mit insgesamt 140 Millionen Euro subventionieren. Weil die Materie in die Kompetenzen der Bundesländer eingriff, bedurfte die Regelung einer Zweidrittelmehrheit in der Länderkammer. Damit hatte die SPÖ-Fraktion im Bundesrat einen Hebel an der Hand, um die Novelle zu verhindern, denn 21 von 61 Mandaten im Bundesrat waren damals rot besetzt. Die SPÖ nutzte die Möglichkeit, kritisierte die Intransparenz der Förderungen und legte sich quer. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) schäumte, letztendlich brachte die Regierung die Subventionen wenige Monate später über einen gesetzlichen Umweg aber doch noch durch.

Schuldenbremse in Verfassung verhindert

Wenige Tage vor der Nationalratswahl im Oktober 2019 machte der Bundesrat erneut von einem absoluten Veto Gebrauch. ÖVP, FPÖ und Neos wollten die sogenannte Schuldenbremse in der Verfassung verankern. Im Nationalrat hatte Türkis-Blau-Pink die dafür nötige Zweidrittelmehrheit, doch die Kreditobergrenze hätte auch den Spielraum der Länder beschnitten. Somit war auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit notwendig, die allerdings von SPÖ und Grünen verweigert wurde, die mehr als ein Drittel der Mandatare hielten. Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat richtete sich – wie üblich – durchwegs nach der Parteizugehörigkeit und nicht nach der Herkunft aus den jeweiligen Bundesländern. Das Ergebnis stand von vornherein fest, das Prozedere diente beiden Lagern vor allem dazu, ihre wirtschaftspolitischen Positionen im Wahlkampf deutlich zu machen.

Türkis-blaue Sozialhilfe vors Höchstgericht gezerrt

Der Bundesrat hat auch subtilere Instrumente als ein absolutes Veto, um ein Gesetz zu Fall zu bringen. So kann ein Drittel der Mandatare den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anrufen, um ein bestimmtes Gesetz auf seine Verfassungskonformität prüfen zu lassen.

Die SPÖ-Fraktion in der Länderkammer brachte eine solche Drittelbeschwerde im Juli 2019 ein, um die Sozialhilfekürzungen der geplatzten türkis-blauen Koalition von den Höchstrichtern untersuchen zu lassen. Deren Ergebnis fiel im Dezember 2019 klar aus: Die Verknüpfung der Mindestsicherung mit Deutschkenntnissen war ebenso verfassungswidrig wie die stark gestaffelten Beträge je nach Kinderanzahl einer Familie. Durch andere Beschwerden wäre die Causa später wohl auch ohne Bundesrat vor dem VfGH gelandet, doch die unkomplizierte Möglichkeit des Einspruchs hat eine schnelle Aufhebung ermöglicht.

Epidemiegesetz beschleunigt verzögert

Im Mai hat der Bundesrat gezeigt, dass man ein Gesetz durch ein Veto auch beschleunigen kann – im Vergleich zum Nichtstun. Konkret ging es um eine Novelle des Epidemiegesetzes, die in der Lockerungsphase nach dem ersten Lockdown neue Kriterien für Versammlungen und Veranstaltungen während der Corona-Krise vorsah. Die türkis-grüne Regierung hatte im Bundesrat allerdings keine Mehrheit, die rot-blaue Opposition sehr wohl. SPÖ und FPÖ wollten die Versammlungsregeln zwar nicht absegnen, doch ihre Macht zur Verzögerung schöpften sie nicht voll aus. Hätten sie das Gesetz einfach liegengelassen, wäre es erst mit acht Wochen Verzögerung in Kraft getreten. Sie sprachen jedoch aktiv ein Veto aus, damit ging das Gesetz kurz darauf zurück an den Nationalrat, der das Veto per Beharrungsbeschluss aushebeln konnte. Statt acht Wochen Verzögerung waren es somit nur zwei. (Theo Anders, 29.12.2020)