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In diesem Saal trat der Bundesrat ab seiner Gründung im Jahre 1920 zusammen. Momentan muss allerdings auch die Länderkammer während der Sanierung des Parlaments in die Hofburg ausweichen

Foto: Reuters/Prammer

Zuletzt ging es in der ruhigeren, beschaulicheren Kammer des österreichischen Parlaments hoch her. Denn am 1. Dezember vor hundert Jahren tagte erstmals der Bundesrat. Am 19. Dezember 1945, vor 75 Jahren also, feierte er, nun mit dem Burgenland, Wiederauferstehung – und fristet seither ein Schattendasein neben dem medial grell ausgeleuchteten Nationalrat. Nur alle heiligen Zeiten – jetzt eben zum Beispiel – erinnert man sich mit schönen Worten daran, dass Österreichs Hohes Haus zwei Kammern hat, und schaut dann kurz vorbei bei den grauen Mäusen des parlamentarischen Gebäudes.

Peter Bußjäger, Direktor des Innsbrucker Instituts für Föderalismus, hält das mediale Schattendasein der Länderkammer – die Abgeordneten werden von den Landtagen entsandt – nicht nur für einen Nachteil. "Es gibt mehr Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen, die Debattenkultur ist beinahe vorbildlich. Man sagt ja, im Nationalrat debattiert man zum Fenster hinaus. Das ist im Bundesrat nicht so." Das Fenster des Bundesrats geht in den Hinterhof.

Erst unglücklich, dann zufrieden

Manchmal hat das für Parteien auch den Vorteil, unliebsam Gewordene dorthin schicken zu können – so wie zum Beispiel Inge Posch-Gruska, die dem damaligen burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl in Flüchtlingsangelegenheiten widersprochen hatte. Im Bundesrat "war ich am Anfang richtig unglücklich".

Bald aber kam sie drauf, dass gerade hier so manches geht, das im Scheinwerferlicht sofort zerredet werden würde. Im Bundesrat herrsche mehr Ernst in der Sache. "Wir haben zum Beispiel die Trinkwasserversorgung, den ländlichen Raum oder die Volksgruppen durch Enqueten überhaupt erst zu einem parlamentarischen Thema gemacht."

Neun Jahre, bis 2019, war Posch-Gruschka rote burgenländische Bundesrätin, im zweiten Halbjahr 2018 die Präsidentin. Ihre politische Heimat waren und sind die Kinderfreunde. Und auf ihre Initiative hin wurde der Kinderrechteausschuss eingerichtet.

Das anfängliche Unglück mit der Abschiebung wich dann bald einer Zufriedenheit. "Im Bundesrat zu arbeiten ist wirklich schön. Du kannst was tun." Der EU-Ausschuss etwa zählt, sagt auch Peter Bußjäger, zu den aktivsten in der ganzen EU. Der Bundesrat schaue sehr genau auf die Einhaltung des sogenannten Subsidiaritätsprinzips, der wesentlichen Säule der europäischen Architektur.

Kampl verhindert

Georg Pehm saß für die burgenländische SPÖ nur kurz im Bundesrat – von Jänner 2004 bis Juni 2005, ein halbes Jahr als dessen Präsident. Aber besonders geprägt haben ihn dort zwei föderalistische Urgesteine: der rote Wiener Albrecht Konecny und der schwarze Vorarlberger Jürgen Weiss, "beide haben aus Überzeugung den Föderalismus wirklich gelebt". In Pehms Amtszeit fiel übrigens auch die "Affäre Kampl". Der Gurker FPÖ-Bürgermeister hatte Wehrmachtsdeserteure als Kameradenmörder bezeichnet. Dass er nicht Pehms vorgesehener Nachfolger unter Kärntner Vorsitz wurde, konnte durch eine Verfassungsänderung schließlich noch verhindert werden.

Pehm, nun Geschäftsführer der Fachhochschule Burgenland, hat damals schon angeregt, den Bundesrat auf 70 Mitglieder zu vergrößern. Die informelle Landeshauptleutekonferenz mit Sitz und Stimme zu versehen "würde den Bundesrat als Länderkammer deutlich gewichtiger machen". Was nicht ist, kann noch werden. Für Peter Bußjäger ist der Bundesrat ein "No na" des Föderalismus. "Er hat sich auch bewährt." Aber, nicht minder no na, "er ist auc h ständig reformbedürftig". (Wolfgang Weisgram, 29.12.2020)