Teneriffa 2013: Arnulf Rainer inmitten einiger Arbeiten, die nun unter Fälschungsverdacht stehen. Das Verhältnis des Malers zu den Modellen dürfte ein enges gewesen sein.

Foto: Courtesy GAA-Foundation

Mitte vergangenen Jahres sollten im Auktionshaus im Kinsky zwei Werke von Arnulf Rainer aus dem Jahr 2013 versteigert werden, wozu es allerdings nicht kam. Stattdessen erfolgte eine Beschlagnahme, die Ermittlungen des Landeskriminalamts Niederösterreich in Gang setzte und mittlerweile auch zu einer Klage gegen den Künstler und seine langjährige Lebensgefährtin Hannelore Ditz führte.

Denn laut Letzterer handle es sich um Fälschungen. Ein schwerwiegender Vorwurf, dem eine Reihe Involvierter vehement widerspricht. Darunter vom STANDARD kontaktierte Galeristen und Kunsthändler, eine Sammlerin sowie der Künstler Rene Rietmeyer, der von 2010 bis 2014 für in diesem Zeitraum entstandene Serien mit Rainer zusammenarbeitete und ihm die Vorlagen für Übermalungen lieferte. Motivisch rangieren diese Arbeiten zwischen erotisch und pornografisch.

Laufende Ermittlungen

Der Tenor der Kontaktierten: Ditz wolle verhindern, dass diese Arbeiten auf den Markt kommen. Ihre Fälschungsbehauptung fungiere quasi als ultimatives Mittel der Zensur. Vorweg: Auf Anfrage folgt die Familie Rainer der Empfehlung ihres Anwalts und will dazu aufgrund der laufenden Ermittlungen keine Stellung nehmen.

Arnulf Rainer bei der Arbeit.
Foto: Courtesy GAA-Foundation

Der zugehörige Akt dokumentiert, flapsig formuliert, einen Ballawatsch, der vor Jahren begann. Und tatsächlich geht es um Hundertschaften von Werken, die Rainer zwischen 2011 und 2014 in seinem Atelier in Teneriffa schuf, wo er, fernab von Wien und seiner Frau, in den Wintermonaten zu arbeiten pflegt. Die Kooperation Rainers mit Rietmeyer und seiner Stiftung Global Art Affairs (GAA), die auch im Rahmen der Biennale von Venedig Ausstellungen organisierte und finanzierte, begann 2009. Konkret ging es um Projekte, für die Rainer die Bildregie für die Vorlagen führte.

Nahe der Realität

Séancen nannte er die Shootings, für die sich sowohl Models als auch zwei GAA-Kuratorinnen zur Verfügung stellten. Rietmeyers Aufnahmen belegen, klassisches Posieren spielte dabei keine Rolle. Es ging eindeutiger zur Sache, als die unverfänglichen Serientitel Klimt-Schiele, Schleiertanz oder Wrestling ahnen lassen. "Orgasm" und "Bondage" treffen die Realität näher.

2014 arbeitete Arnulf Rainer an einer "Bondage"-Serie, für die Rene Rietmeyer die fotografischen Vorlagen lieferte.
Foto: Courtesy GAA-Foundation

Die Serie dokumentiert eine Zäsur in Rainers Œuvre. Denn anders als bisher übermalte er keine historischen oder jüngeren Aktdarstellungen anonymer Personen, sondern Darstellerinnen, mit denen er persönlich engeren Kontakt pflog. Teils einen intimeren, als der verständnisvollsten Frau eines Künstlers wohl lieb sein kann. Die Früchte dieses auch über Fotoaufnahmen und Videos dokumentierten Schaffensrausches sorgen jetzt für grobe Verwerfungen.

Gegen die Eifersucht

Dem Ermittlungsakt zufolge entstanden insgesamt etwa 2500 Übermalungen, die sich zum überwiegenden Teil im Besitz der Familie befinden. Etwa ein Viertel überließ der Künstler Rene Rietmeyer als Gegenleistung: zur Abgeltung des Urheberrechts der Fotos, allfälliger für die Shootings sowie für die Produktion der Vorlagen oder Organisatorisches anfallenden Ausgaben. Ein Deal, in den Ditz offenbar nicht eingebunden war. Warum, darüber kann man nur mutmaßen. Dem Vernehmen nach soll Rainer die Arbeiten dieser Serie vor ihren Besuchen in Teneriffa stets versteckt haben, um ihrer Eifersucht vorzubeugen.

Einige Werke wurden bereits ausgestellt, etwa 2013 bei der Biennale in Venedig. Der zugehörige Leihvertrag sorgte 2014 für einen Disput mit Ditz: Sie forderte von Rietmeyer Werke ein, die eben der GAA bzw. ihm gehörten. Es folgte eine Anzeige wegen des Verdachts der Veruntreuung, die Staatsanwaltschaft sah diesen nicht gegeben und verwies auf den Zivilrechtsweg. Ditz und Rainer verzichteten darauf.

Fälschungsbehauptung seit 2018

Das Thema Fälschung kam erst 2018 auf. Ditz hatte davon Wind bekommen, dass Rietmeyer einige Werke an Galeristen und ein Konvolut an eine Sammlerin verkauft hatte: an Brigitte Löw, die ihrerseits einen Teil an den Galeristen Gerald Ziwna abtrat. Dieser plante für 2019 eine Ausstellung, die Ditz partout verhindern wollte. In einem Telefonat soll sie erklärt haben, dass sie "in den Besitz dieser Bilder zu setzen sei", andernfalls sie diese zu Fälschungen erklären würde.

Eine der Übermalungen aus der "Klimt-Schiele"-Serie, die im Rahmen der Biennale von Venedig 2013 ausgestellt war.

Gesagt, getan. Die beiden bei im Kinsky beschlagnahmten Werke gehören Ziwna. Sowohl er als auch vor allem Löw bemühten sich um eine Klärung, mit der sich nun das Bezirksgericht Innere Stadt herumschlagen darf. Denn im November 2019 brachte die Sammlerin eine Klage gegen Ditz und Rainer ein, um sich gegen den Fälschungsvorwurf zu wehren.

Provenienz zweifelsfrei

Der Bitte, die in ihrem Besitz befindlichen Werke in Augenschein zu nehmen, waren die beiden nie nachgekommen. Das gehe so einfach nicht, bekräftigt Löw, zumal die Provenienz zweifelsfrei sei. Ebenso die Authentizität, wie Rietmeyer versichert. Dass Rainer ihm Fälschungen überlassen habe, sei ja wohl auszuschließen. (Olga Kronsteiner, 29.12.2020)