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Das Jahr war von Protesten geprägt: Nicht nur hier im Rahmen der "Black Lives Matter"-Bewegung, sondern etwa auch in Belarus, Beirut und Hongkong.

Foto: AFP / Getty / Brandon Bell

Neben der weltweiten Pandemie prägten international zahlreiche weitere Themen dieses besondere Jahr 2020. Vor allem die Wahlen in den USA dominierten die Schlagzeilen, aber auch aus anderen Weltgegenden kamen Breaking News.

Das reichte vom Kampf für Demokratie in Hongkong und Belarus über weltweite Proteste gegen Rassismus bis zur Explosionskatastrophe in Libanons Hauptstadt Beirut. Welche Ereignisse besonders bedeutsam waren, zeigt unser internationaler Jahresrückblick 2020.

Ende der Proteste: Peking greift in Hongkong hart durch

Der Aktivist Joshua Wong wurde im Dezember verurteilt.
Foto: AFP / Isaac Lawrence

Für die Protestbewegung in Hongkong war 2020 kein gutes Jahr. Noch im Jahr davor füllten regelmäßig Millionen Menschen die Straßen der Handelsmetropole, um für mehr Demokratie und gegen den zunehmenden Einfluss Pekings zu demonstrieren. Doch dies nahm heuer ein jähes Ende – nicht nur wegen Corona. Im Schatten der Pandemie hat Peking im Sommer ein Nationales Sicherheitsgesetz erlassen, das es der Zentralregierung erlaubt, die harten Gesetze des Festlands weitgehend auch in der Sonderverwaltungszone anzuwenden.

Das neue Gesetz löste internationale Kritik aus. Viele Länder, allen voran Großbritannien, sahen das Ende des Prinzips "Ein Land, zwei Systeme" in der ehemaligen Kronkolonie. Die Rückgabe Hongkongs an China 1997 basierte ja auf dem Kompromiss, dass die demokratischen Freiheiten dort 50 Jahre erhalten bleiben würden.

Dass Peking mit dem neuen Gesetz nicht bloß Symbolpolitik betreibt, zeigte sich rasch: Etliche Aktivisten und Aktivistinnen wurden verhaftet. Der bekannte Aktivist Joshua Wong wurde im Dezember zu einer mehr als einjährigen Haft verurteilt. (saw)

Black Lives Matter: Weltweite Proteste gegen Rassismus

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Der Slogan Black Lives Matter ging 2020 um die Welt.
Foto: AP / Peter Dejong

Rassismus macht auch während Corona keine Pause, jedenfalls nicht für jene, die davon direkt betroffen sind. Schwarzen in den USA wurde das mit einem brutalen Fall von Polizeigewalt Ende Mai deutlich vor Augen geführt: Fast neun Minuten lang kniet der weiße Polizist Derek Chauvin auf dem Hals des wehrlosen Afroamerikaners George Floyd. Er lässt nicht ab, als Floyd mehrfach sagt, er könne nicht atmen und alles tue ihm weh. Nicht einmal, als dieser kein Lebenszeichen mehr von sich gibt.

Floyd stirbt. Und was folgt, sind Tage, Wochen, Monate von Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung, die sich über die Grenzen der USA hinweg ausbreiten. Auch in Wien demonstrieren im Juni mehr als 50.000 Menschen. Im Diskurs dominiert immer mehr der Konsens über systemischen Rassismus anstatt zahlreicher Einzelfälle bei der Polizei. Debatten über nachhaltige Polizeireformen kommen in den USA ins Rollen, Konzerne und Sportserien versuchen den antirassistischen Wandel. Erst in Zukunft wird sich allerdings weisen, wie viel davon tatsächliches Umdenken und wie viel nur PR ist. (maa)

Kämpfe im Kaukasus: Tausende Tote in Bergkarabach

Viele abziehende Armenier steckten ihre Häuser in Brand.
Foto: AFP / Alexander Nemenov

Bis in die Zeit der Sowjetunion reicht der Konflikt um Bergkarabach zurück, Ende September 2020 mündete er erneut in Gewalt. Die Bilanz des sechswöchigen Kriegs um die Kaukasusregion: mehr als 5000 Tote, 140.000 Geflüchtete.

Völkerrechtlich gehört Bergkarabach, wo überwiegend christliche Armenier leben, zum mehrheitlich islamischen Aserbaidschan. Bereits im Zuge der Auflösung der Sowjetunion war es 1991 zum Krieg gekommen, Aserbaidschan verlor damals die Kontrolle über das Gebiet. Seither schwelte der Konflikt unaufhörlich weiter – bis es heuer erneut zur Eskalation kam.

Im November einigten sich beide Seiten unter russischer Vermittlung auf eine Waffenruhe. Der aserbaidschanische Staatschef Ilham Alijew jubelte nach den mit türkischer Hilfe erreichten Gebietsgewinnen über eine "Kapitulation" des Gegners, während Armeniens Premier Nikol Paschinjan von einem "unsäglich schmerzhaften Schritt" sprach.

Seit dem Ende der Kämpfe wird Paschinjan in Armenien als "Verräter" beschimpft, die Opposition fordert seinen Rücktritt. Die Saat für neue Konflikte scheint gelegt zu sein. (schub)

Der Fall Nawalny: Nervengift für die Diplomatie

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Kaum genesen, stellte Alexej Nawalny selbst Recherchen an.
Foto: Reuters / Social Media Navalny

Eine Vergiftung mit einem Nervenkampfstoff, ein Telefonat mit einem angeblichen Attentäter, Dementis und diplomatische Verstimmungen: Was sich liest wie der Klappentext eines Thrillers, ist eine knappe Zusammenfassung des Falls Alexej Nawalny. Im August brach der russische Oppositionelle während eines Inlandsflugs zusammen. Nach einer Notlandung in Sibirien wurde er ins Koma versetzt und später in die Berliner Charité überstellt. Die Ärzte dort stellten fest, dass er mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden war. Mehrere Labore bestätigten den Befund.

Deutschland machte das Ergebnis publik und forderte eine Erklärung ein, Russland dementierte jede Beteiligung. Es folgten wechselseitige Sanktionen. Eine im Dezember veröffentlichte Recherche machte dann den russischen Geheimdienst FSB für den Anschlag verantwortlich. Nawalny selbst, inzwischen genesen, telefonierte mit einem angeblich Beteiligten, entlockte ihm Details und stellte einen Mitschnitt des Gesprächs online. Der russische Präsident Wladimir Putin ließ dazu bloß wissen: Hätte man Nawalny töten wollen, hätte man es auch zu Ende gebracht. (rio)

Proteste in Belarus: Lukaschenko unter Druck

Alexander Lukaschenko wird Wahlbetrug vorgeworfen.
Foto: Imago / ITAR-TASS / Maxim Guchek

Auch am letzten Sonntag des Jahres wurde in Belarus (Weißrussland) wieder gegen Langzeitmachthaber Alexander Lukaschenko demonstriert. Die Opposition hatte dazu aufgerufen, als Zeichen des Protests diesmal Luftballons steigen zu lassen. Kurz vor dem Jahreswechsel sollten auf diese Art erneute Kundgebungen mit massenhaften Festnahmen vermieden werden.

Begonnen hatte die Protestwelle nach der Präsidentschaftswahl am 9. August. Der autoritär regierende Lukaschenko hatte sich – mit angeblich mehr als 80 Prozent der Stimmen – erneut zum Sieger erklärt und startete in seine bereits sechste Amtszeit. Auch durch die Verharmlosung der Corona-Pandemie hatte er aber längst viele Menschen gegen sich aufgebracht. Es folgten regelmäßige Demonstrationen und brutale Polizeieinsätze mit mehreren Toten, hunderten Verletzten und etwa 30.000 Festnahmen.

Auch im Ausland wird Lukaschenko Wahlfälschung vorgeworfen, die EU erkennt ihn nicht mehr als Präsidenten an. Seine Gegenkandidatin Swetlana Tichanowskaja lebt inzwischen als Oppositionsführerin im litauischen Exil. (schub)

Die Katastrophe: Explosion nach Implosion im Libanon

Die Detonation im Beiruter Hafen tötete 200 Menschen.
Foto: AFP / STR

Eigentlich war 2020 im Libanon ein Jahr für die Geschichtsbücher. Doch in libanesischen Schulbüchern endet die offizielle Landesgeschichte bereits 1975 mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs. Erst die Rückkehr zu konfessionellen Postenverteilungen brachte ein Ende der Gewalt, nicht aber den sozialen Frieden. Kriegsherren wurden Politiker. Ihre Parteien stehen bis heute für Klientelpolitik und Selbstbereicherung.

Das trieb die Libanesen auch 2020 auf die Straßen. Eine Sensation für ein Land, in dem die Angst vor einem erneuten Krieg bisher alle politischen Forderungen in den Hintergrund drängte.

Doch im Libanon geht es wieder ums Überleben. Nichts verdeutlicht dies mehr als die Katastrophe vom 4. August: 2750 Tonnen ungesichertes Ammoniumnitrat explodierten, mehr als 200 Menschen starben, ein Teil Beiruts wurde zerstört. Ein direktes Resultat der Korruption. Seither ist das Land ohne Regierung, weshalb auch internationale Hilfen stocken. Ex-Premier Saad Hariri ist wieder am Zug, ein Kabinett zu bilden. Ohne Verfassungsänderung bleiben aber die Machtverhältnisse gleich. Die Armut grassiert. Wer kann, ist längst über alle Berge. (fmo)

Rechtsstaatlichkeit: Budgetkonflikt mit Ungarn und Polen

Viktor Orbán (li.) und Mateusz Morawiecki in Brüssel.
Foto: EPA / Radek Pietruszka

Im innereuropäischen Streit um die Rechtsstaatlichkeit, der 2020 mit Ungarn und Polen ausgefochten wurde, kam im wahrsten Sinne des Wortes viel zusammen. Immerhin ging es bei der Vetodrohung aus Budapest und Warschau um den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 und um das Corona-Hilfsprogramm – insgesamt ein Paket von 1,8 Billionen Euro.

Die beiden Länder, gegen die es Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit von Justiz und Medien gibt, wollten verhindern, dass die Auszahlung von EU-Geldern künftig an rechtsstaatliche Kriterien geknüpft wird. Genau das hatten die Mehrheit der Mitglieder und das Europäische Parlament geplant.

Herausgekommen ist beim EU-Gipfel am 10. Dezember ein Kompromiss mit den Regierungschefs Ungarns und Polens, Viktor Orbán und Mateusz Morawiecki: Der Rechtsstaatsmechanismus soll sich lediglich auf die korrekte Verwendung von EU-Geldern beziehen, nicht aber auf strittige Themen wie Migration oder Rechte sexueller Minderheiten. Und: Der EuGH kann noch prüfen. Beide Seiten sahen sich als Sieger – und auf beiden Seiten gab es gegen die Einigung Proteste. (schub)

Naher Osten: Kriegsgefahr hier, Annäherung da

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Anfang Jänner starb der iranische General Soleimani.
Foto: Reuters / Wana News Agency

Das Jahr 2020 hat den Nahen Osten und Nordafrika entscheidend verändert: Gleich vier arabische Staaten haben ihre Normalisierung mit Israel bekannt gemacht: die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Sudan und Marokko. Was als Triumph für US-Präsident Donald Trumps Nahost-Politik gilt, wurde allerdings durch die wachsenden Spannungen mit dem Iran beschleunigt, die Israelis und Araber enger zusammenrücken ließen. Die frühere Bedingung der Araber, zuerst müsse es einen israelisch-palästinensischen Frieden geben, wurde ad acta gelegt.

Zum Auftakt des Jahres, am 3. Jänner, hatten die USA den Koordinator der iranischen Einflusspolitik in der Region, General Ghassem Soleimani, getötet. Dafür bezahlten unter anderem die 176 Passagiere einer ukrainischen Verkehrsmaschine, die in Teheran versehentlich vom Iran abgeschossen wurde, mit dem Leben. Die Angst vor einer Eskalation begleitete die Region durchs ganze Jahr – und wurde am 27. November wieder besonders akut, als der iranische Atomphysiker Mohsen Fakhrizadeh von einem Kommando – mutmaßlich einem israelischen – getötet wurde. (guha)

Das Mittelmeer: Die Flüchtlinge vor der Festung Europas

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Private Helfer retten in Seenot geratene Flüchtlinge.
Foto: AP / Sergi Camara

In Sachen Flüchtlingspolitik blieben im Jahr 2020 in der Europäischen Union die Fronten verhärtet. Das änderten auch nicht die Bilder von menschenunwürdigen Zuständen in den Camps auf dem Balkan oder in Griechenland. Die Kommission schlug immerhin einen "Pakt zu Migration und Asyl" vor.

Flüchtlinge und Migranten aus Seenot zu retten, überließ man weitgehend den privaten Initiativen, zu denen heuer ein Bündnis unter der Führung der evangelischen Kirche und ein Schiff des Street-Art-Künstlers Banksy gestoßen sind.

Eingesetzte Rettungsschiffe wurden in europäischen Häfen festgehalten, wobei jüngst die Ocean Viking von SOS Méditerranée freigegeben wurde. Laut Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR starben 2020 auf den Fluchtrouten des Mittelmeers rund 960 Menschen. Fast 11.000 Menschen wurden von der libyschen Küstenwache abgefangen und nach Libyen gebracht – in Lager, die von Hilfsorganisationen und Politikern als menschenrechtswidrig bezeichnet werden. Frontex soll Bootsflüchtlinge aus EU-Gewässern gedrängt haben. Eine laufende Untersuchung soll 2021 Klarheit bringen. (bbl)

Die US-Wahlen: Die USA im Banne von Trump und Corona

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2020, das Jahr eines außergewöhnlichen US-Wahlkampfes.
Foto: AP / Jeff Chiu

Das Jahr der Wahlen ist in den USA immer ein Ausnahmejahr. Für 2020 galt das in mehrfacher Hinsicht. Da Präsident Donald Trump die Pandemie konsequent herunterspielte, verbreitete sich das Virus fast ungebremst. Und freilich war das auch ein zentrales Thema im Wahlkampf. Als Herausforderer kristallisierte sich im Laufe des Jahres ein Vertreter des demokratischen Establishments heraus. Andere demokratische Zukunftshoffnungen stellten sich recht schnell hinter den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden. Der führte seinen Wahlkampf großteils virtuell, während der Amtsinhaber weiterhin große Auftritte absolvierte. Die obligaten TV-Duelle waren Ereignisse der besonderen Art. Vor allem das erste Duell zwischen Trump und Biden war geprägt von aggressiven Rundumschlägen des Amtsinhabers. Letztlich wurde nach einem mehrtägigen Auszählungsmarathon Joe Biden knapp zum Sieger erklärt. Donald Trump spricht nach wie vor von einem "gestohlenen Sieg" und Wahlbetrug. Joe Biden wird am 20. Jänner 2021 vereidigt. Er übernimmt ein politisch wie gesellschaftlich gespaltenes Land in der Krise. (mhe), (31.12.2020)