Das finanzielle Handeln des Vatikan soll in Hinkunft transparenter werden.

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Das neue "Motu proprio" trägt einen harmlosen Titel "Über einige Kompetenzen in wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten". Aber das päpstliche Dekret hat es in sich: Es entzieht dem bisher allmächtigen Staatssekretariat jegliche finanzielle Autonomie. Die Superbehörde der römischen Kurie, zugleich Außen- und Innenministerium des Kirchenstaats, wird ab sofort keinen Euro mehr ausgeben können, ohne dass die interne Finanzkontrolle oder der Papst persönlich ihren Segen dazu geben. Alle Konten des Staatssekretariats bei der Vatikanbank IOR, aber auch alle Auslandkonten werden aufgehoben und die Guthaben an die vatikanische Vermögensverwaltung Apsa (Amministrazione del Patrimonio della Sede Apostolica) übertragen.

Die Apsa, die bisher hauptsächlich das milliardenschwere Immobilienvermögen des Heiligen Stuhls verwaltete, aber mit den täglichen Geschäften der anderen vatikanischen Behörden kaum etwas zu tun hatte, wird nun alle Finanzströme des Kirchenstaats dirigieren und überwachen, unterstützt von der internen Finanzkontrolle, dem Wirtschaftssekretariat. Das gilt insbesondere auch für den sogenannten Peterspfennig, also für Spenden der Gläubigen in aller Welt, die eigentlich für wohltätige Zwecke und für die Evangelisierung bestimmt wären. Im Staatssekretariat war der Peterspfennig auch für andere Zwecke missbraucht worden – etwa für riskante Immobilienspekulationen in London, bei der die vom Staatssekretariat angeheuerten Broker Summen in dreistelliger Millionenhöhe verloren hatten.

Drain the swap

Der Finanzskandal um die Luxusimmobilie an der Sloane Avenue im vornehmen Londoner Stadtteil Chelsea war der Tropfen, der das Fass in den Augen von Franziskus hatte überlaufen lassen. Die Affäre war im Jahr 2019 aufgeflogen, doch die Bemühungen des Papstes, den Finanzsumpf im Kirchenstaat trockenzulegen, dauern schon sehr viel länger, nämlich seit seiner Wahl zum Papst im Frühling 2013. Der Argentinier war damals im Konklave vor allem von den nichtitalienischen Kardinälen gewählt worden, weil sie ihm zugetraut hatten, die Kurie auszumisten und das Finanzgebaren transparenter und nicht zuletzt auch wieder christlicher zu gestalten.

In der Vatikanbank IOR ist seit längerem wieder Ruhe eingekehrt – vor den Reformen des Papstes hatte die "Bank Gottes" den Ruf einer mafiösen Geldwaschmaschine genossen. Die Widerstände im Staatssekretariat, das seit Jahren keine ordentliche Jahresbilanz vorlegt und dessen Finanzen deshalb vollkommen intransparent sind, waren dagegen erbittert. Als Franziskus ein Jahr nach seiner Wahl das Wirtschaftssekretariat aus der Taufe hob und den australischen Kardinal George Pell an dessen Spitze setzte, kam es hinter den Kulissen schnell zu einem Machtkampf zwischen dem "Ranger", wie der hemdsärmlige ehemalige Rugby-Spieler in der Kurie genannt wurde, und der damaligen Nummer zwei im Staatssekretariat, dem sardischen Kardinal Angelo Becciu.

Schmutzkübel in der Kurie

Pell hatte sein Augenmerk auf das eigenmächtige Finanzgebaren im Staatssekretariat gerichtet – aber als in Melbourne gegen ihn Anklage wegen sexuellen Missbrauchs erhoben wurde, schien er den Machtkampf verloren zu haben. Inzwischen steht der Verdacht im Raum, dass Becciu in Australien Zeugen bestochen haben soll, damit diese seinen Widersacher mit freierfunden Aussagen belasteten. Becciu bestreitet dies, aber dieses Jahr hat das oberste Gericht Australiens den zunächst verurteilten Pell von allen Vorwürfen freigesprochen. Franziskus hat den "Ranger" danach in Rom zur Privataudienz empfangen und ihn damit symbolisch rehabilitiert. Dafür ist Becciu in Ungnade gefallen: Im Zusammenhang mit den Skandal um die Londoner Immobilie hat ihn Franziskus im September Knall auf Fall von allen seinen Ämtern enthoben und ihm auch gleich noch die Kardinalswürde abgesprochen.

Mit dem neuen Erlass zum Jahresende 2020 ist die wichtigste Reform von Papst Franziskus nun weitgehend unter Dach und Fach. Das Dekret enthält neben der Entmachtung des Staatssekretariats auch noch eine Reihe weiterer Normen und Weisungen, die zu mehr Transparenz in den vatikanischen Finanzen führen sollen. Es trifft per 1. Jänner 2021 in Kraft, damit der Kirchenstaat bereits im kommenden Jahr eine – hoffentlich – aussagekräftigere Bilanz erstellen kann, als dies bisher der Fall war. "Es war notwendig gewesen, der Verwaltung der vatikanischen Finanzen eine Wende zu geben, um die Transparenz und Kosteneinsparungen zu erhöhen", kommentiert Nunzio Galantino, der Chef der apostolischen Güterverwaltung Aspa, das Motu proprio seines Vorgesetzten. (Dominik Straub aus Rom, 29.12.2020)