Autofahren im Stau kann auch zum Nachdenken einladen.

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Als ich neulich im Auto vor einer Ampel wieder einmal aufgebracht den Hupdodel gab, kehrte mit einem Mal die Erinnerung an eine vor Jahren geführte Diskussion im Freundeskreis zurück: Wenn alle anderen Verkehrsteilnehmer deppert sind – und wenn man davon ausgeht, dass diese Leute dasselbe von allen anderen denken, dann bin ich es ja auch! Die Schnittmenge aus allen ergibt bekanntlich uns. Wir sind ein Planet der Deppen und Dodeln und mit Planquadrat Wiener Gürtel, Ecke Burggasse.

Hier mag es sich zum einen um einen aufwühlenden Gedanken handeln, der sich nicht unwesentlich auf die Geschicke der Welt auszuwirken vermag. Zum anderen ist diese Erkenntnis natürlich tröstlich.

Gelb mit einem Stich ins Orange

Wir bemühen uns zwar redlich, zumindest meistens die Haltung zu bewahren und nicht gleich durchzuzucken, wenn uns etwas nicht in den Kram passt. Das beinhaltet anhand des praktischen Beispiels etwa, dass der Straßenverkehr, an dem wir entscheidend Schuld mittragen, zu langsam voran geht, oder nur allzu menschliche Fehler passieren, wenn es um das rasche Anfahren bei Grün oder das grundsätzlich vernünftige Stehenbleiben bei Gelb mit einem Stich ins Orange geht. Allerdings sind 99,9 Prozent der Menschheit nicht dafür geeignet, mit ruhiger Hand und kühler Einschätzung der Gesamtsituation Gehirnoperationen durchzuführen oder Zenmeister zu werden. Welcher Narr hat in Autos übrigens Hupen eingebaut?!

Wehmütig sehen wir dem öffentlichen Nahverkehr dabei zu, wie er auf Straßenbahngleisen oder der Busspur an uns vorüberzieht. Radfahrer winken uns mit dem Mittelfinger fröhlich zu. Fußgänger überholen die Autokolonne mit festem Schritt. Wir aber hören im Auto selbst nach den Weihnachtsfeiertagen noch immer George Michael und Wham!, während wir anstatt der üblichen ungeliebten Weihnachtsgeschenke in den Shopping Centern am Stadtrand heuer zur Erinnerung an alte Traditionen in den Supermärkten versehentlich gekaufte Salz- in Essiggurken umtauschen. In den Supermarkt sind wir früher zu Fuß gegangen. Heuer suchen wir verzweifelt Parkplätze in der Tiefgarage. 2020 war ein schwieriges Jahr. Alles gute für 2021! (Christian Schachinger, 30.12.2020)