Ein Bild aus besseren Tagen: die saudische Aktivisitin Loujain al-Hathloul

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Es ist kein Geheimnis, dass man in Riad seit der Abwahl des "besten Freundes", den man je im Weißen Haus hatte, um eine Linie gegenüber dem nächsten US-Präsidenten ringt: Joe Bidens Drohung, Saudi-Arabien zum "Paria" zu machen, kann zwar kein Realpolitiker ernst nehmen, verdüstert aber dennoch die Aussichten auf entspannte Beziehungen. Und so wurde Mitte November, nach den Wahlen in den USA und vor dem G20-Gipfel in Riad, spekuliert, dass die inhaftierte saudische Aktivistin Loujain al-Hathloul freigelassen werden könnte, um der – allerdings nicht nur von Demokraten immer wieder angefachten – Debatte über Menschenrechte im Königreich Wind aus den Segeln zu nehmen.

Stattdessen kam Ende November die Hiobsbotschaft, dass der Fall Hathloul von einem normalen Gerichtshof an einen "speziellen" überwiesen wurde: ein Terrorismusgericht. Das nun gefällte Urteil empört Menschenrechtler – und kann dennoch als saudische Geste Kritikern gegenüber gelesen werden.

Absurder Prozess

Fakt ist, dass die fünf Jahre und acht Monate, zu denen Hathloul verurteilt wurde, weit unter den Möglichkeiten des Richters liegen – was kaum Eindruck machen wird, wenn man den ganzen Prozess für absurd hält. Aber das Aufatmen, die Hoffnung, die man für die 31-Jährige schöpft, rührt von der Anrechnung ihrer bisherigen Haft und der Suspendierung von zwei Jahren und zehn Monaten her. Sie könnte im Februar das Gefängnis verlassen. Die "Freiheit" wäre allerdings von einem fünfjährigen Reiseverbot begleitet.

Saudische Medien und Diplomaten bemühen sich nun, das Urteil zu erklären: nicht um Aktivismus, um Staatssicherheitsfragen sei es gegangen. Auf viel Gehör werden sie nicht stoßen, zu opak ist das System, zu unklar das "Verbrechen" Hathlouls. Und der Hauptadressat scheint die Botschaft zu verweigern: Joe Bidens designierter Sicherheitsberater Jake Sullivan nannte das Urteil auf Twitter "ungerecht und verstörend". (Gudrun Harrer, 30.12.2020)