Dass einige Österreicher während des Lockdowns Ski fahren, passt nicht allen.

Foto: imago images/Michael Kristen

Gleich zweimal binnen einer Woche hat sich die große "New York Times" in ihrer Corona-Berichterstattung dem kleinen Austria gewidmet. Einmal, als sie das Foto vom gerade geimpften Christoph Wenisch, dem Leiter der Infektiologie an der Klinik Favoriten, publizierte. Das Foto ist sehr sympathisch, Wenisch freut sich wie ein Schneekönig.

Auch im zweiten Fall geht's um Schneekönige made in Austria. Da kommt Österreich schon weniger sympathisch weg. Von Gedränge und langen Schlangen vor den Liften ist die Rede, von Staus auf den Parkplätzen der Skigebiete und Menschenmassen, die jegliche Social-Distancing-Regel verhöhnten. Und wie reagiert Franz Hörl, Obmann der Seilbahnbetreiber in der Wirtschaftskammer und ÖVP-Abgeordneter, auf Kritik und den zweifellosen Imageschaden, den sich die Ski- und Tourismusnation Österreich gerade wieder einmal selbst zufügt? Hörl verlangt, dass die Kapazitätsgrenzen für die Lifte und Gondeln sofort aufgehoben werden. Weil: größere Kapazitäten, kleinere Warteschlangen, kein Problem. Lockdown hin oder her.

"Sicher nicht Sheriff spielen"

Das ist an Unverfrorenheit kaum zu toppen. Das ahnte wohl auch die Regierung und hat den Erlass für Skilifte eilig nachgeschärft.

Obwohl: Die Flapsigkeit, mit der Hoteliers und Apartmenthaus-Besitzer in den Skigebieten erklären, dass sie "sicher nicht Sheriff spielen" werden, wenn etwa das Pärchen mit der Skiausrüstung im Gepäck bei ihnen aus "beruflichen Gründen" absteigt – die sucht auch ihresgleichen. Die Logik dahinter: wo kein Kläger, da kein Richter, wo keine Polizei, da gibt’s kein Problem. Lockdown hin oder her.

Wer dieses Verhalten kritisiert, findet sich flugs als Neidhammel gebrandmarkt – weil entweder kann man sich das Skifahren nicht leisten (selber schuld!), oder man ist sonst irgendwie, zum Beispiel geografisch, benachteiligt (Ostösterreicher!). Obendrein fühlen sich Hörl, Hoteliers und Co im Recht – was ihr wenig sensibles Benehmen noch verstärkt. Immerhin werden sie ja vom ÖVP-Teil der Regierung mächtig unterstützt. So polterte Hörl vor dem dritten Lockdown, das Skifahren müsse ausgenommen werden, und schon zwei Tage später wurde sein Wunsch von der Regierung erfüllt. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger erklärte dann noch in verwundertem Tonfall, sie wisse beim besten Willen nicht, wo es einen Unterschied machen solle, ob jemand mit der Gondel oder mit der U-Bahn fahre.

Bewegung und frische Luft

Dann kommt sich ein Teil der Bevölkerung blöd vor. Jener Teil, der einen Lockdown für einen Zustand hält, in dem man sich vorsichtig und rücksichtsvoll verhält und private Treffen vermeidet.

Nun mag man einwenden, dass die Regierung erkannt habe, wie wichtig Bewegung und frische Luft sind – schließlich sei ja auch Laufen und Eislaufen erlaubt. Dann stellt sich freilich die Frage, warum die vielen Breitensportvereine, die Kindern das Fußballspielen beibringen, seit Monaten geschlossen halten müssen. Auch dort gibt es Sicherheitskonzepte und die Möglichkeit, nur im Freien zu trainieren – zum Wohle der Volksgesundheit. Aber hier, in der Zuständigkeit des grünen Sportministers, gibt man sich unnachgiebig. Dort, im Ressort der ÖVP-Tourismusministerin, gibt es Ausnahmen. Das ist Messen mit zweierlei Maß – im Sinne der Hörls, Hoteliers und Co.

Und ein Teil der Bevölkerung kommt sich weiterhin blöd vor. (Petra Stuiber, 29.12.2020)