Digitaljournalist und Studienautor über "Medienmäzen" Google" Alexander Fanta.

Foto: privat Illustration: Armin Karner

Die Prognose von Digitaljournalist Alexander Fanta

Was erwarten Sie 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? derStandard.at/Etat hat Medienmanagerinnen und -manager, Journalistinnen und Journalisten sowie Expertinnen und Experten aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten. Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir in diesen Tagen.

"Geldgeschenke und Sonderdeals von Google und Facebook steigen in Bedeutung für Verlage"

Hier die Prognosen von Alexander Fanta, Brüssel-Korrespondent von netzpolitik.org über die Digitalpolitik der EU und Ko-Autor der Studie "Medienmäzen Google" über Journalismusförderungen des Konzerns:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen über Entwicklungen, Herausforderungen etc.!

"Für Österreich: Einnahmenverluste aus der Print-Werbung werden weiterhin durch öffentliche Inserate und Auflagensubventionen ausgeglichen, was nicht unbedingt zur Freiheit und Ungebundenheit der Medien beiträgt. Abos und andere Formen der Leserfinanzierung wachsen langsam in der Bedeutung, können aber branchenübergreifend nicht den Verlust an Einnahmen und Arbeitsplätzen aufhalten. Der politische Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk steigt.

International: Ähnliche Entwicklung zwischen stetigen Verlusten bei Print- und stagnierenden Einnahmen bei Online-Werbung sowie Shift hin zu Leserfinanzierung und einem Winner-takes-most-Modell. Deutschland und die EU subventionieren erstmals im größeren Stil Medien und Medieninnovation, allerdings sind insbesondere die deutschen Subventionen auf konventionelle Printplayer fokussiert und tragen dazu bei, alte Strukturen in der Branche eher zu konservieren als zu modernisieren.

Die Geldgeschenke und Sonderdeals von Google und Facebook mit der Verlagsbranche steigen in ihrer Bedeutung in der Geschäftsstrategie der Verlage. Die Umsetzung des EU-weiten Leistungsschutzrechts (Artikel 15 Urheberrechtsrichtlinie) in den meisten Mitgliedsstaaten (darunter Österreich) setzt Google unter Zugzwang, in fast allen EU-Ländern den führenden Verlagen Lizenzzahlungen für Inhalte in Google News Showcase anzubieten. Dem Datenkonzern dürfte es damit gelingen, die Verlage in Showcase-Profiteure und eine zweite Gruppe zu spalten. Letztere werden es aber schwer haben, erfolgreich mit Google über Lizenzzahlungen aus dem Leistungsschutzrecht zu verhandeln. Google kann seine Marktmacht gegenüber den Presseverlagen konsolidieren."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen)!

"Ich wünsche mir eine Allianz von Non-Profit-Medien, die eine gemeinsame Plattform für die Leserfinanzierung gründen und gemeinsam (und mit Unterstützung von öffentlichen Förderungen) an Open-Source-Werkzeugen für die technische Weiterentwicklung der eigenen Angebote arbeiten. Diese Werkzeuge können auch von großen Medienhäusern genutzt werden. Gemeinsam sollten die Verlage anstreben, eine technologische und wirtschaftliche Alternative zu den Angeboten von Plattformkonzernen wie Google und Facebook aufzubauen. Insbesondere eine technologische Alternative zum Google-Werbenetzwerk wäre wünschenswert."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten)?

"Eine sollte keine weitere Konsolidierung des Marktes geben, keine neuen Pleiten von Medien oder große Kündigungswellen. Journalistenarbeitsplätze sollten gesichert werden, bis neue Finanzierungs- und Geschäftsmodelle einen positiven Strukturwandel ermöglichen."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"Abgesehen vom Trend zum Home Office läuft die Pandemie Gefahr, die Nachrichteninhalte noch weiter in Richtung von offiziellen Quellen und Stimmen aus Regierung und Verwaltung zu verschieben, wie das bereits in diesem Jahr geschehen ist. Indem es für Journalisten und Journalistinnen schwerer wird, auf die Straße zu gehen und Geschichten "von unten" einzufangen, läuft immer mehr Inhalt "von oben" aus Regierungskreisen und von Experten sowie Beamten. Dieses Ungleichgewicht in den transportierten Inhalten könnte sich fortsetzen und weiter verschlimmern."

"Ausschlusskriterien für Förderung wie etwa Verurteilungen beim Presserat"

Weitere Prognosen von Alexander Fanta zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • Mehr digitale Möglichkeiten und weniger Onlinebeschränkungen für den ORF sieht Fanta als Chance: "Tendenziell stärkt das den Medienmarkt, da ein breiteres ORF-Angebot das Interesse in andere Nachrichteninhalte steigert oder diese ergänzt. Interessant ist vor allem die Frage, ob eine Lockerung der Online-Regeln mit offenen Lizenzen für Inhalte einhergeht, wie es nun die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland probieren. Dort können nun ZDF-Erklärvideos bei Wikipedia oder anderen freien Plattformen eingebunden werden, was ihre Reichweite und Relevanz für die Öffentlichkeit steigert."
  • Fanta erwartet weitere Corona-Sondermedienförderung und empfiehlt diese Kriterien dafür: "Nicht Auflage oder Verbreitung, sondern Journalistenarbeitsplätze und objektivierbare Qualitätskriterien sollten gefördert werden, mit Ausschlusskriterien für Förderung wie etwa Verurteilungen beim Presserat." Er befürwortet Qualitätskriterien und Beteiligung an Branchenselbstkontrolle als Bedingungen auch für andere Medienförderungen und für öffentliche Inserate.
  • Der Digitalexperte erwartet 2021 neue Medien/neue medienrelevante Plattformen: "Der Aufstieg der neuen Parteipresse ist ein Phänomen, dass bereits 2020 an Relevanz gewann. Mit Medien wie 'Arbeit & Wirtschaft', 'Kontrast.at', der 'Neuen Zeit' oder 'ZackZack' ist es der SPÖ bzw. den Resten der Liste Pilz gelungen, verstärkt Themen zu setzen. Andere politische Lager werden nachziehen.
  • In der Weltrangliste der Pressefreiheit werde Österreich (zuletzt Platz 18) zurückfallen: "Ich erwarte eine Verschlechterung, da die Pandemie einen Anlass zur Schwächung des Informationszugangs geboten hat, der sich nicht leicht zurückrollen lässt. Auch macht der anhaltende wirtschaftliche Druck auf die Medien und finanzielle Verflechtungen mit dem Staat es leicht, hier Druck auszuüben. Das Informationsfreiheitsgesetz wird zumindest kurzfristig wenig daran ändern, da es vermutlich eine längere Verhandlungszeit erfordert und dann erst mit einer Übergangszeit in Kraft tritt. Auch sind die meisten Redaktionen kaum vorbereitet, das neue Mittel der Informationsfreiheitsanfragen zu nutzen."
  • Fanta zum journalistischen Arbeitsmarkt: "Der Druck wird steigen, auch nutzen Medienhäuser die Folgen Pandemie als Vorwand, um den Stellenabbau voranzutreiben."
  • Mit Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten "ist leider immer öfter zu rechnen, da seit der Pandemie immer mehr Leute von Verschwörungsmythen verwirrt zu sein scheinen".

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 2.1.2021)