Peter Plaikner, Medienberater, in der Etat-Prognose für 2021.

Foto: Gernot Gleiss Illustration: Armin Karner

Die Prognose von Medienberater Peter Plaikner:

Was erwarten Sie 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? http://DerStandard.at/Etat hat Medienmanagerinnen und -manager, Journalistinnen und Journalisten sowie Expertinnen und Experten aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten. Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir in diesen Tagen.

"Wirtschaftlich die Nagelprobe für alle von Werbung abhängigen Medien"

Hier die Prognosen von Medienberater und -autor Peter Plaikner:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen über Entwicklungen, Herausforderungen etc.!

"Wirtschaftlich die Nagelprobe für alle von Werbung abhängigen Medien. Während 2020 zuhauf noch durch Jahresvereinbarungen abgesichert war, gibt es für 2021 mehr Zurückhaltung vor solchen Bindungen. Ebenso Corona-bedingt wie der Boost zur Digitalisierung. Die dafür notwendigen Investments benötigen aber längerfristig Finanzsicherheit. Ein Teufelskreis, der vor allem jene in existenzielle Schwierigkeiten bringen wird, die schon vor der Pandemie Problem hatten."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen)!

"Volle Konzentration aller Investitionen in Glaubwürdigkeit (resultiert aus Qualitätsorientierung mit den dafür notwendigen Ressourcen) von Journalismus. Das ist einerseits eine Hoffnung aufgrund der Sorge um die demokratiepolitische Kontrollfunktion von Medien und andererseits sie Überzeugung, dass radikale Qualitätsorientierung eines von zwei möglichen Geschäftsmodellen ist. Das andere ist der Boulevard und hinlänglich bekannt. Alles was sich die klare Entscheidung dazwischen scheut, wird langfristig nicht funktionieren. Das gilt sogar für die Von-allem-etwas-Mixtur der 'Krone'."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten)?

"Kein Informationsfreiheitsgesetz. Kein ORF-Gesetz. Keine grundsätzliche Neuordnung aller (offener und verdeckter) Medienförderungen. Keine ethischen Kriterien als Bedingung für Subventionen. Keine gemeinsame Linie gegenüber Facebook, Google und Amazon. Warum? Wegen der politisch Handelnden und infolge von Lobbyismus, der allzu oft kurzfristige Partialinteressen vor ganzheitliches Langzeitgedeihen des Gesamtmarktes stellt."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"Es droht der wirtschaftlich größte Einbruch der Branche in der Zweiten Republik. Eine solch brutale Disruption hätte auch unabsehbare Folgen auf den journalistischen Arbeitsmarkt. Wenn sich dort der inhaltliche Preisverfall fortsetzt, kann die notwendige Qualität für die Rolle einer vierten Gewalt nicht erreicht werden.

In Österreich mit seinem extrem konzentrierten Medienmarkt würden die demokratiepolitisch verheerenden Folgen einer solchen Entwicklung besonders deutlich und schnell sichtbar. Sie wäre auch für die Parteienlandschaft – insgesamt! – schädlich.

Ich bin sehr pessimistisch in der Frage, ob die jeweils gerade Regierenden (denn das gälte erfahrungsgemäß auch für andere Konstellationen als Türkisgrün) sich davon überzeugen lassen und aktiv an Gegenmaßnahmen beteiligen (siehe Antwort auf die vorhergehende Frage)."

"ORF-Aufsicht mit mehr Unabhängigkeit und internationaler Beteiligung"

Weitere Prognosen Plaikners zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • Der Medienberater wünscht sich und dem ORF ein "Aufsichtsgremium mit mehr Unabhängigkeit und zwingend auch internationaler Beteiligung und Expertenbeteiligung. Von dort abgestuft womöglich weitgehend autonome Führungsebenen, die sich aber wie General alle fünf Jahre einer Wahl stellen müssen – womöglich nicht alle zugleich (à la US-Kongress)."
  • Wie hoch wird der ORF-Antrag auf GIS-Anpassung im Herbst 2021 ausfallen? "Aufgrund des Vergleichs der Verbraucherpreisindizes 2010-2015 und 2015-2020 (vorläufig) rund fünf Prozent. 6,5 Prozent wie 2017 dürften diesmal eher nicht mehr drin sein."
  • Eine Erweiterung der GIS auf Streaming oder eine Haushaltsabgabe hielte Plaikner für sinnvoll.
  • Seine Ratschläge für eine weitere Corona-Sondermedienförderung: "Umfang und Form lassen sich erst beantworten, wenn der Umfang der Krisenfortsetzung klar ist. Die dauerhafte Senkung des Mehrwertsteuersatzes gehört aber auf jeden Fall dazu. Doch eines darf nicht wieder geschehen: Förderung auf Basis von Druckauflage."
  • Die geplante Digitalmedienförderung und Medienförderungen insgesamt sollten an Qualitätskriterien und die Beteiligung an einer Branchenselbstkontrolle geknüpft werden, ebenso öffentliche Werbebuchungen, findet Plaikner.
  • Der Medienberater rechnet mit gleich bleibenden Eigentumsverhältnissen 2021 bei den größten österreichischen Medienunternehmen und mit keinen wesentlichen Ausfällen unter den Medien, aber auch nicht mit neuen Medien/Medienplattformen.
  • Plaikners Prognose für Österreichs Platz in der Weltrangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (2020: Rang 18): "Einerseits deutlich besser, weil nach Türkisblau die massiven direkten Angriffe nicht mehr aus der Regierung selbst kamen. Andererseits eher schlechter – wegen zu langer Zurückhaltung gegenüber und Mittragen von Regierungsmaßnahmen in Koppelung mit einer Vielzahl von Regierungsinseraten. Ich tippe insgesamt dennoch auf deutliche Verbesserung – wahrscheinlich aber noch nicht wieder unter den Top 10."
  • Zu Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten: "Das wird sich online auch hier verstärken, offline aber vergleichsweise ebenso in Grenzen halten wie die Hang der ÖsterreicherInnen zu harten Demos insgesamt."

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 31.12.2020)