Stefan Ströbitzer war über Jahrzehnte im ORF etwa Radio-Chefredakteur, stellvertretender TV-Chefredakteur und "ZiB"-Chef, leitete die Programmentwicklung und war stellvertretender TV-Direktor. 2018 verließ er den ORF und gründete seine Beratungsfirma Ströbitzer Consulting.

Foto: Christian Skalnik Illustration: Armin Karner

Die Prognose von Medienberater Stefan Ströbitzer

Was erwarten Sie 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? derStandard.at/Etat hat Medienmanagerinnen und -manager, Journalistinnen und Journalisten sowie Expertinnen und Experten aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten. Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir in diesen Tagen.

"Im allgemeinen Jammern, Belauern und Schuldzuweisen sind die Player geübt"

Hier die Prognosen von Medienberater und ORF-Kenner Stefan Ströbitzer:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen über Entwicklungen, Herausforderungen etc.!

"Weiterhin wird die Frage der Transformation der Geschäftsmodelle in die digitalen und mobilen Anwendungen die Medienbranche dominieren. Als Übermittler von informativen und unterhaltenden Inhalten stehen Medien immer stärker im Wettbewerb mit Angeboten, deren Absender keine 'Publisher' sind. Das Publikum wird das im digitalen Stream seiner Smartphones immer weniger auseinanderhalten können."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen)!

"Immer mehr Medienhäuser sollten ihre Angebote im Internet kostenpflichtig machen. Ich hoffe auf möglichst lückenlose Bezahlschranken und Abomodelle. Klingt komisch, ist es nicht. Was gratis ist, sollte sich langfristig aus Sicht des Publikums als 'wertlos' herausstellen. Wie sonst sollte die Qualität eines journalistisch erstellten Produkts erkenn- und refinanzierbar sein? Ist also möglichst nichts von Relevanz mehr gratis, werden sich die Menschen für ein, zwei Bezahlabos entscheiden. Immerhin!"

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten)?

"Allgemeines Jammern, Belauern und gegenseitig die Schuld zuweisen. Darin sind die Player des österreichischen Medienmarkts ja recht geübt und haben über Jahrzehnte geschafft, dass sich wenig verändert."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"Alles, was die Zukunft der Medien bestimmen wird, kommt noch schneller und kompromissloser: Fernsehen, ja! Aber live und unmittelbar! Film, Serie, Unterhaltung? Gern, aber wann, wie und wo ich will! Information? Schwimmt den ganzen Tag im mobilen Stream am Smartphone vorbei! – The news will find me! Vertrauenswürdige Marken? Schon, aber ich entscheide, was ich darunter verstehe!"

"Gesellschaftliche Spannungen werden hoffentlich weiter harmloser ausgetragen als in anderen Ländern"

Weitere Prognosen Ströbitzers zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • Der langjährige ORF-Kenner rechnet 2021 mit der Wiederwahl von Alexander Wrabetz zum ORF-Chef.
  • Mit einer – von ihm befürworteten – Digitalnovelle für den ORF rechnet er erst nach der Generalswahl "Die Onlineregeln für den ORF werden erst nach der Generalswahl gelockert. Dann bekommt die übrige Medienbranche Zugang zum ORF-Archiv, kann Content auf den Player laden und bekommt Geld."
  • Die GIS "sollte" nach Ansicht Ströbitzers auf Streaming beziehungsweise zur Haushaltsabgabe erweitert werden.
  • Der Medienberater rechnet mit weiterer Corona-Sondermedienförderung 2021 und plädiert für Qualitätskriterien und Teilnahme an Branchenselbstkontrolle als Bedingungen für Medienförderungen und öffentliche Inserate.
  • Sein Befund zum journalistischen Arbeitsmarkt in Österreich: "Die Sparprogramme in den Medienhäusern werden wenig Spielraum für Neuanstellungen und Ausbau von Redaktionen lassen. Eher setzen die Häuser auf Automatisierung gewisser Routineprozesse und KI."
  • Ströbitzer über Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten: "Österreich bleibt hoffentlich ein Ort, an dem gesellschaftliche Spannungen in der Regel wesentlich harmloser ausgetragen werden als in anderen Ländern."
    (Harald Fidler, Daniela Yeoh, 4.1.2021)