"Ohne Vertrauen des Klubs kann ich der Aufgabe nicht gerecht werden, die gesamte Landespartei zu vertreten, das geht nur gemeinsam", schreibt Hebein auf Facebook.

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Der Spätherbst in diesem Jahr hat bei Birgit Hebein "Spuren hinterlassen", wie sie erklärt. Das ist wahrlich kein Wunder. Denn bis auf die Wien-Wahl im Oktober, bei der sie mit 14,8 Prozent der Stimmen noch das bisher beste Ergebnis der Hauptstadt-Grünen einfuhr, verlor sie in der Folge in kürzester Zeit politisch alles, was sie nur verlieren konnte. Mitte Jänner wird Hebein, wie bereits vor einigen Wochen angekündigt, ihren Rücktritt vom Landesparteivorsitz vollziehen. Das Jahr neigt sich dem Ende zu, schrieb sie am Mittwoch in einem Facebook-Posting, es wird Zeit, Abschied zu nehmen. Spätestens im Juni soll dann ein neuer Parteivorsitz gewählt werden.

Das heißt, im neuen Jahr steht für die Grünen eine richtungsweisende Wahl an. Es geht um nicht weniger als um die Spitze einer der wichtigsten Landesfraktionen und auch darum, sich zusammenzuraufen. Denn dass Hebein von der eigenen Partei trotz des Ergebnisses bei der Wien-Wahl abmontiert wurde, sorgte nicht bloß für Stunk in der Basis. Für manche wie Ex-Landessprecher Joachim Kovacs war das wohl neben dem Mittragen der türkisen Politik im Bund der ausschlagende Punkt dafür, seiner Partei den Rücken zu kehren.

Nach außen hin wirkte die Demontage wie eine späte Revanche. Zwei Jahre vor ihrem Ende wählte die grüne Basis die prononciert linke Sozialpolitikerin Hebein noch zur Spitzenkandidatin. Das kostete sie und ihre Partei allerdings einiges an Mühe. Erst nach vier Durchgängen setzte sich Hebein in einem recht umständlichen Wahlmodus gegen ihre Kontrahenten, Klubchef David Ellensohn und den jungen Planungssprecher Peter Kraus, durch. Wie knapp das war, zeigt sich daran, dass Hebein bis zur dritten Runde hinter Kraus auf Platz zwei lag.

Nach der Wahl rutschten die Grünen in die Opposition. Das Verhältnis von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Hebein soll an sich nicht das beste gewesen sein. Dass die Grünen-Politikerin mit der "autofreien" Innenstadt, Pop-up-Radwegen und Gürtel-Pools allzu proaktiv hausieren ging, soll den Sozialdemokraten die Koalitionsvariante mit den kleineren Neos noch schmackhafter gemacht haben. Innerhalb der Wiener Grünen dürften die gescheiterten Koalitionsverhandlungen letztlich ein Knackpunkt für die Demontage der eigenen Chefin gewesen sein.

Hebein, die später einräumte, nie eine Hausmacht im Parteiklub gehabt zu haben, weil sie sich vor allem um die Verkehrs- und Stadtplanungsagenden kümmerte, bewarb sich sowohl als grüne Klubchefin im Rathaus als auch für einen der beiden Posten einer nicht amtsführenden Stadträtin. Beides wurde ihr von den eigenen Gemeinderäten verwehrt. Zum Zug kamen ihre einstigen Kontrahenten. Klubchef blieb Ellensohn, die Stadtratsposten gingen an Kraus – und Quereinsteigerin Judith Pühringer. Die Niederlagen Hebeins fielen deutlich aus, sie verzichtete schließlich auch auf ihr Gemeinderatsmandat.

"Absurd, dass wir hier eine ÖVP 'anbetteln' müssen"

Nun wird sich Hebein Mitte Jänner auch als Parteivorsitzende der Wiener Grünen zurückziehen. "Ohne Vertrauen des Klubs kann ich der Aufgabe nicht gerecht werden, die gesamte Landespartei zu vertreten, das geht nur gemeinsam", schrieb sie auf Facebook. Bis zur Wahl ihrer Nachfolge, die spätestens im Juni erfolgen soll, wird Hebein durch die grüne Landesleitung beziehungsweise Landesparteisekretär Peter Kristöfel ersetzt.

In ihrem Posting versucht Hebein auch einen inhaltlichen Ausblick für die Grünen, denen sie als "ökologisch und sozial gerechte Stadtpartei" große Chancen einräumt. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, "wie verwundbar unsere Gesellschaft ist". Es sei auch vieles sichtbar geworden, etwa dass mehrheitlich unterdurchschnittlich bezahlte Frauen die Gesellschaft am Laufen hielten. In kritische und nachhaltige Infrastruktur zu investieren hätte sich ebenfalls gelohnt, "in grünen, sozial gerechten Konjunkturprogrammen liegt eine Chance für den Aufschwung".

Das Jahr ende für die scheidende Grüne aber mit einer Schande. "Geflüchtete leben in griechischen Lagern im Dreck und in der Kälte. Wir müssen die Menschen dort herausholen. Wir haben Platz für sie", appelliert Hebein. "Es ist absurd, dass wir hier eine ÖVP ‚anbetteln‘ müssen, humanitäre Hilfe zu ‚erlauben‘. Und es ist niemandem zu erklären, dass wir nicht alles tun, um es zu ermöglichen. Und hier sehe ich auch eine offene Frage für die Grünen. Wie wir Politik machen, hat zentral damit zu tun, was wir erreichen." (Jan Michael Marchart, 30.12.2020)