Ein ungewöhnlich selbstkritischer Kanzler war da am Mittwochabend in der Zeit im Bild 2 zu Gast. Zunächst versuchte es Sebastian Kurz (ÖVP) mit einer eher allgemein gehaltenen Antwort auf die Verantwortungsfrage beim Handling der Corona-Pandemie: "Wer so viele Entscheidungen trifft, macht jeden Tag Fehler." Als Moderator Martin Thür konkret auf die vielen toten Menschen in den Alters- und Pflegeheimen hinwies, legte der Kanzler sogar mit Emotion nach: "Ich krieg bei dem Thema fast schon Aggressionen jedes Mal."

Am Ende sei gerade der Schutz der älteren, vulnerablen Bevölkerung immer eine "Entscheidung zwischen totaler Vereinsamung und notwendigem Schutz", befand Kurz. Er selbst tendiere – Überraschung! – eher zum Hardliner. Aber er wisse um den Preis für die Betroffenen und ihre Familien. Warum die Testpflicht für das Heimpersonal erst seit Ende Oktober bestehe, wollte Thür dann aber wissen. Kurz: "Sie haben vollkommen Recht, je früher man dort testet, desto besser." Nachsatz: Zeitlich sei das früher einfach nicht möglich gewesen.

Unterschied zwischen Kultur und Gastro

Was die Kontrolle des Freitestens anlangt, da wartete Kurz mit folgenden Antworten auf: Es mache einen Unterschied, ob eine Person bereits ab 18. Jänner ein Lokal besuchen wolle, oder etwa eine Kulturveranstaltung. Überall dort, wo auch sonst immer ein Ticket vorzuweisen ist, werde bei vorzeitigem Raustesten aus dem Lockdown ein negativer Corona-Test verlangt. Gleiches gilt für die Hotellerie: zusätzlich zu Reisepass oder Meldezettel soll dann das Ergebnis des Covid-19-Tests vorgelegt werden. Gültig ist dieser Test dann, wenn er nicht älter als 48 Stunden ist.

Anders der Plan für den Gastronomiebereich: Hier kann das Testergebnis bereits eine Woche zurückliegen, skizzierte Kurz. Kontrolliert wird zudem nur stichprobenartig – von den Gesundheitsbehörden, mit Unterstützung der Polizei.

Ob das in der Form dann verfassungswidrig ist, wie etwa der frühere Verfassungsrichter Rudolf Müller glaubt? Es handle sich hier um einen "komplizierten, neuen Bereich", sagt Kurz, da sei das "nicht vorhersehbar". Die Regierung bemühe sich jedenfalls um ein "ausgeklügeltes Modell". Ziel sei natürlich nicht, "irgendjemanden zu quälen", aber Kurz hält dieses Vorgehen für "die einzige Möglichkeit", um Kultur und Gastro wieder hochzufahren.

Stichwort Impfung: Ab Jänner rechnet Kurz mit 60.000 Impfdosen pro Woche. Dass zwischen den ersten 10.000 Impfungen und diesem angepeilten Massenstart so viel Zeit liegt, wollte Kurz nicht für Kritik am Beschaffungsprozess der EU nutzen. Die Mitgliedsstaaten hätten mit sechs verschiedenen Anbietern Verträge abgeschlossen, es sei nicht vorhersehbar gewesen, welcher davon die besten Aussichten auf eine Zulassung habe. Im ersten Halbjahr will der Kanzler jedenfalls "weit über 500.000 Menschen in Österreich" geimpft sehen. (Karin Riss, 30.12.2020)