Schottische Anti-Brexit-Aktivisten protestieren gegen den EU-Austritt Großbritanniens.

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London/Brüssel – Großbritannien hat den endgültigen Bruch mit der Europäischen Union vollzogen. Bereits seit Ende Jänner 2020 war Großbritannien nicht mehr Mitglied der Staatengemeinschaft, seit Mitternacht gehört das Land auch nicht mehr dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion an. "Dies ist ein großartiger Moment für dieses Land. Wir haben die Freiheit in unseren Händen, und es liegt nun an uns, das Beste daraus zu machen", sagte Premierminister Boris Johnson in seiner Neujahrsansprache.

Großbritannien könne Dinge nun anders machen – "und wenn nötig besser als unsere Freunde in der EU". Auf eine große Brexit-Jubelfeier musste der Premier coronabedingt jedoch verzichten: Johnson hatte ankündigt, die historische Stunde mit seiner Familie in seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street zu verbringen.

Wirtschaftliche Scheidung

Mit dem Jahreswechsel endete die elfmonatige Übergangsphase seit dem EU-Austritt, in der noch weitgehend die gleichen Regeln galten. Zum Jahreswechsel wird damit auch die wirtschaftliche Scheidung vollzogen.

Das britische Parlament hatte das von Johnson vorgelegte Ratifizierungsgesetz kurz vor dem Jahreswechsel binnen weniger Stunden durchgewunken. Staatsoberhaupt Königin Elizabeth II. stimmte dem Gesetz mit ihrem "Royal Assent" zu. Zu Silvester wurde das Vertragswerk dann auch offiziell im Gesetzblatt der EU veröffentlicht.

"Lasst das Licht an"

Damit könne es wie geplant vorläufig ab 1. Jänner 2021 angewendet werden, teilte ein Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit. "Ein No Deal wurde abgewendet, gerade noch rechtzeitig", twitterte er. Auf EU-Seite reichte die Zeit zur Ratifizierung im Europaparlament nicht. Sie soll im Frühjahr folgen.

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hat nach dem Brexit eine Rückkehr ihres Landesteils nach Europa in Aussicht gestellt. "Schottland kommt bald wieder, Europa", schrieb sie in der Silvesternacht auf Twitter. "Lasst das Licht an." Im Brexit-Referendum hatte eine Mehrheit der Schotten für den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU gestimmt. Seitdem ist die Zustimmung für eine Unabhängigkeit von Großbritannien gestiegen.

Abschied nach 47 Jahren

Sturgeon hat sich für ein neues entsprechendes Referendum im neuen Jahr ausgesprochen. In der Nacht endete die Übergangsphase nach dem formellen EU-Austritt Großbritanniens im Jänner 2020.

Großbritannien war nach 47 Jahren Mitgliedschaft bereits Ende Jänner 2020 aus der EU ausgetreten. Das in letzter Minute mit der EU ausgehandelte Handels- und Partnerschaftsabkommen soll nun einen harten Bruch vermeiden. Wichtigster Punkt ist, dass im Warenhandel auch künftig keine Zölle und Mengenbeschränkungen gelten. Zudem regelt der knapp 1.250 Seiten starke Vertrag viele weitere Themen, darunter Fischfang und Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei. In mehreren Bereichen bleibt Großbritannien weiter an europäische Standards gebunden.

Keine Probleme bei ersten LKW-Kontrollen

Seit Mitternacht ist Großbritannien damit nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Das bedeutet auch Zollkontrollen. Die Behörden hatten aber angekündigt, die Regelung anfangs recht locker zu handhaben. Anders als befürchtet haben die ersten Lastwagen daher den Ärmelkanal ohne Verzögerungen überquert. Die Lage am Eurotunnel sei ruhig gewesen, sagte ein Sprecher des Betreibers Getlink. "Die Mehrheit der Fahrer wird keine Änderungen bemerken."

In Irland hingegen warnte die Regierung vor Verzögerungen im Warenverkehr. Der Handel werde mit Sicherheit "durch sehr viel mehr Kontrollen, Zollerklärungen, Bürokratie und Papierkram" gestört, sagte Außenminister Simon Coveney der BBC. Die britische Provinz Nordirland ist de facto weiter Mitglied des Binnenmarktes, allerdings gibt es nun eine Zollgrenze in der Irischen See.

Eine gute Nachricht für britische Autofahrer verkündete Verkehrsminister Grant Shapps in der Neujahrsnacht. Für Fahrten in die EU sei kein internationaler Führerschein nötig, twitterte Shapps. (APA, red, 1.1.2021)