Laut Biontech-Chef Uğur Şahin soll Ende Jänner feststehen, ob und wie viel mehr von seinem Impfstoff produziert werden kann.

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Frankfurt – Uğur Şahin, der Chef des Mainzer Forschungsunternehmens Biontech, hat sich nach eigener Aussage über die zögerlichen Impfstoff-Bestellungen der Europäischen Union (EU) gewundert. Der Prozess in Europa sei wegen des Mitspracherechts der einzelnen Länder nicht so schnell und geradlinig abgelaufen wie anderen Ländern, sagte der Krebsforscher dem "Spiegel". Die EU habe zudem auch auf andere Hersteller gesetzt, die nun doch nicht so schnell liefern können. "Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle", sagte Şahin, "Mich hat das gewundert."

Derzeit sehe es hinsichtlich der insgesamt verfügbaren Impfstoffe gegen Covid-19 "nicht rosig" aus, "weil weitere zugelassene Impfstoffe fehlen und wir mit unserem Impfstoff diese Lücke füllen müssen", meinte Sahin. Daher sei man mit dem US-Partner Pfizer daran, die Möglichkeit für eine erhöhte Produktion des eigenen Präparats auszuloten.

Das Unternehmen suche weitere Kooperationspartner für den Ausbau der Produktion. "Aber es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten", sagte Şahin. "Ende Jänner haben wir Klarheit, ob und wie viel wir mehr produzieren können." Die neue Produktionsstätte in Marburg werde weit früher bereit sein als geplant, vielleicht schon im Februar. Im ersten Halbjahr könne sie bis zu 250 Millionen Dosen herstellen.

Wirkung bei Virusmutation offen

Im Spätsommer könne außerdem eine weiterentwickelte Impfstoffgeneration bereitstehen, die auch bei weniger starker Kühlung transportiert werden könne, sagte Şahin. Kurz nach Weihnachten hatte es in Nordbayern offenbar Probleme mit der Kühlkette gegeben: In Oberfranken waren Impfdosen in einer Kühlbox angekommen, deren Temperatur einem Kontrollinstrument zufolge zeitweise über den erforderlichen acht Grad Celsius gelegen hatte. Rund 1.000 Impfeinheiten wurden deshalb nicht genutzt, obwohl Biontech der Regierung in Oberfranken zufolge erklärte, man halte den Impfstoff trotz der Temperaturabweichung für sicher.

Ob der Biontech-Impfstoff auch gegen eine in England aufgetauchte, möglicherweise deutlich ansteckendere Mutation des Virus wirke, werde derzeit untersucht: "Wir testen, ob unser Impfstoff auch diese Variante neutralisieren kann, und wissen bald mehr." Falls der Impfstoff dagegen nicht wirke, könne er "rein technologisch" relativ einfach angepasst werden, was vielleicht sechs Wochen dauern würde. Die Frage sei, ob die Zulassungsbehörden die bereits nachgewiesene Wirksamkeit und Sicherheit in diesem Fall weiter akzeptieren würden – andernfalls wäre eine neue Studie mit Zehntausenden Probanden nötig.

Der Impfstoff von Biontech und Pfizer wurde kurz vor Weihnachten in der EU zugelassen und wird seit einigen Tagen auch verabreicht. Weitere Zulassungen für Corona-Impfstoffe gibt es in der EU bisher nicht. Die Staatengemeinschaft hat aber bereits bei mehreren Herstellern Impfstoffdosen geordert, die sich noch in der Entwicklung befinden. (Reuters, APA, red, 1.1.2021)