Für die Salzburger Künstlerin Ulrike Halmschlager verströmen Farben nicht nur Gefühle, sondern auch Klänge und Aromen. Im Sammelsurium in ihrem Wohnzimmer kann sie sich stundenlang umschauen.

"Ich habe keine Angst vor Farben. Die einzige Farbe, die mir unangenehm ist und die ich zu vermeiden versuche, ist Schwarz. Ich finde Schwarz vereinnahmend, denn es absorbiert alles und macht alle anderen Farben tot. In meinem Leben stehen Farben nicht nur für Stimmungen und Emotionen, sondern auch für Aromen, für innere Organe, ja sogar für einen bestimmten Klang.

Grelle Farben und Hula-Hoop-Reifen: Ulrike Halmschlager in ihrer Wohnung in Salzburg.
Foto: Anna Aicher

Zu meinen liebsten Farben zählen derzeit Gelb und Orange. Gelb klingt nach Querflöte, Orange nach einem frisch gestimmten Cello.

Dieser Wohlklang, diese Harmonie zwischen den Farben ist mir persönlich sehr wichtig. Es gibt eh schon genug Disharmonie im Leben, vor allem in den letzten Monaten. Da braucht es nicht noch mehr davon! Diese Vorliebe für farblichen Wohlklang kann ich auf mein gesamtes Leben übertragen: Ich brauche eine visuell wie auch akustisch wohlklingende Umgebung, um darin gut und gerne wohnen und arbeiten zu können. In schlechten Stimmungen mag ich mich nicht aufhalten. Damit hängt wohl auch zusammen, dass ich eines Tages beschlossen habe, meinen alten Job an den Nagel zu hängen. Ich habe früher als Kamerafrau gearbeitet. Zu Beginn war das ein großartiger Beruf, ich habe ihn geliebt, ich konnte mich darin voll und ganz entfalten. Aber im Laufe der Zeit ist die Branche immer brutaler und immer unpersönlicher geworden. Am Ende ging es nur noch um Geld und um wirtschaftlich produzierte Minuten. Irgendwann war genug.

Fotos: Anna Aicher

Ich bin heute als Künstlerin tätig. Ich male, mache Drucke, entwerfe Kleidung und genieße es erstmals in meinem Leben, zu Hause zu sein, die Wohnung zu benützen, mich in meiner Heimat und Heimeligkeit entfalten zu können. Es gibt eine äußere Stille, denn es gibt hier wenig Autos. Und ich verspüre – mit den Jahren mehr und mehr – eine innere Ruhe, denn ich mag es, einfach nur hier zu sein, nichts zu tun, mich stundenlang in der Gegend umzuschauen. Ich fühle in diesem Farbuniversum eine unglaubliche, mich erdende Freiheit.

Ich wohne in Salzburg-Nonntal, einerseits noch nicht am Stadtrand, andererseits aber weit genug weg vom städtischen Gewusel. Die Wohnung hat 68 Quadratmeter, und ich wohne hier seit 1996. Ich mag das Haus, denn es stammt aus den Sechzigerjahren und beinhaltet einige sehr schöne, hochwertige Details – die Fenster, die Parapete, die Klinken. Erfreulicherweise habe ich einen mittlerweile leider schon verstorbenen Architekten gefunden, der sich in die Stimmung des Hauses richtig gut eingefühlt und die Wohnung auf wunderbarste Weise saniert hat. Im WC, im Bad und bei der Arbeitsplatte in der Küche haben wir Untersberger Marmor eingebaut. Das ist ein heller, lebendiger Stein, der für Salzburg sehr typisch ist.

Fotos: Anna Aicher

Man wäre verleitet zu glauben, dass die Wohnung um ein paar Quadratmeter zu klein ist, weil überall meine Stoff- und Textilentwürfe herumhängen – an der Wand, über der Couch, auf der Schneiderpuppe. Das liegt aber nicht daran, dass ich zu wenig Platz habe, sondern einzig und allein an der Tatsache, dass ich es liebe, meine Stoffdesigns und Stoffdrucke anzuschauen. Auf meiner Bluse und meinem Rock beispielsweise findet sich ein von mir geschossenes Foto vom Canal Grande in Venedig, das ich verfremdet und zu einer ornamentalen Matrix zusammenmultipliziert habe. Wäre doch schade, wenn all diese Schätze im Schrank landen würden!

Ulrike Halmschlagers Textilentwürfe hängen überall in der Wohnung herum – weil sie es liebt, sie anzuschauen. Jede Farbe hat für sie einen bestimmten Klang: "Gelb klingt nach Querflöte, Orange nach einem frisch gestimmten Cello."
Fotos: Anna Aicher

Auch sonst dürfen die Dinge so sein, wie sie sind: Vasen, Figuren, Terrakotta-Töpfe, Hula-Hoop-Reifen oder etwa der handgewebte Teppich, der in den Neunzigerjahren im Koffer von der Türkei nach Österreich geschmuggelt wurde. Darf man das schreiben? Gibt’s auf Schmuggeln eine Verjährungsfrist? Und so wohne ich – Krebs im Sternzeichen, Steinbock im Aszendenten – in der Hin-und-her-Gerissenheit zwischen der Fülle der Objekte und der materiellen, konsumgüterlosen Leere meines Lebens. Wenn ich am Abend im Bett liege, denke ich mir: Danke, bin ich noch zu retten?" (Wojciech Czaja, 4.1.2021)