Das Schaufenster eines Juweliers in Favoriten, das ein junger Syrer eingeschlagen haben soll. Er ist als einziger der Festgenommenen noch in Haft.

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Nach der Randale in der Silvesternacht auf dem Reumannplatz in Wien-Favoriten, bei der rund 30 Personen mit (unter anderem syrischem und irakischem) Migrationshintergrund Mistkübel und Sitzgelegenheiten in Brand setzten und die einschreitende Polizei mit Raketen und Böllern attackierten, ist die Diskussion über das politische Versagen, das dahinterstehen könnte, in vollem Gang.

Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ) kritisierte in einer Aussendung, dass zu wenig Polizei in Favoriten aktiv sei: "Seit Jahren setze ich mich für eine Aufstockung der bisherigen Planstellen von 300 auf 500 ein – leider gab es dazu von Innenminister Karl Nehammer nur leere Versprechungen."

Sicherheitsgipfel

Franz reagierte damit auf Nehammers Ankündigung, dass künftig "uniformierte Sondereinheiten, aber auch Ermittler in Zivil schwerpunktmäßig in Wien-Favoriten Kontrollen durchführen" würden. Zudem wurde ein von Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl organisierter Sicherheitsgipfel in Aussicht gestellt.

Dort sollen mit Vertretern der Stadt "gemeinsame Ableitungen aus integrations- und sicherheitspolizeilicher Sicht" getroffen werden. Auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene reagierte vor allem die FPÖ auf die Vorfälle in der Silvesternacht: Eine "Verhöhnung der Bezirksbevölkerung" seitens der SPÖ und der ÖVP sieht der der Favoritner FPÖ-Chef Stefan Berger.

Bundesparteichef Norbert Hofer forderte Abschiebungen der "Krawallmacher". "Migrationspolitisches Versagen" von Stadt und Bund ist für Hofers Stellvertreter Manfred Haimbuchner schuld.

Vergleiche "nicht statthaft"

Zudem sind Vergleiche mit Ausschreitungen auf Festen der autochthonen österreichischen Landjugend für Haimbuchner "nicht statthaft". Diesen Bezug hatte neben STANDARD-Kolumnist Hans Rauscher auch der Journalist – und in seinem ersten Beruf seit 20 Jahren Sozialarbeiter – Michael Bonvalot auf Twitter hergestellt.

Bonvalot erzählte auf Nachfrage des STANDARD, dass er in Favoriten nicht nur eine große Jugendeinrichtung leitete, sondern auch beim Verein Neustart als Bewährungshelfer und bei einer weiteren Einrichtung für unbegleitete Minderjährige tätig war.

Die migrantische Jugendszene und ihre Probleme in Favoriten kenne er daher sehr gut. Befragt zu den Vorkommnissen in der Silvesternacht, fordert Bonvalot eine emotionsfreie Einordnung: "Im Prinzip schaut einiges, was da passiert ist, relativ heftig aus – auch der Mistkübel, mit dem versucht wurde, in ein Juweliergeschäft einzubrechen. Aber schauen wir uns an, was da wirklich übrig bleibt: Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Wenn bei jedem solchen Fall mehrere Ministerien Aussendungen machen würden, hätten die viel zu tun." Junge Männer hätten oft viel Blödsinn im Kopf, und das sei eben auch auf Dorffesten so.

"Allahu akbar"-Rufe

Dass "Allahu akbar"-Rufe zu hören gewesen sein sollen, "könnte auch eine gezielte Provokation der Jugendlichen gegenüber der Polizei gewesen sein", gibt Bonvalot zu bedenken. Allerdings wisse er auch von radikalreligiösen Abspaltungen der faschistischen Grauen Wölfe am nahen Antonplatz, wo diese einen Jugendklub betreiben und sich eine ihnen nahestehende Moschee befinde.

"Da werden Jugendliche direkt von der Straße angeworben", sagt Bonvalot, der daher "nicht mehr Polizei, sondern mehr Jugend- und Sozialarbeit und Therapieangebote" als Lösung sieht: "Jungen Männern ohne Arbeitserlaubnis, mit beengtem Wohnraum, ohne Perspektive und mit Flucht- und auch Kriegstraumata ist halt eher schnell was wurscht. Gibt man ihnen einen Job, etwas zu gewinnen und zu verlieren, hat man viele dieser Probleme nicht mehr." Es wäre aber nur Spekulation zu sagen, die randalierenden Jugendlichen der Silvesternacht seien identisch mit jenen, die an den Unruhen in Favoriten im Sommer beteiligt waren. "Denn bei den Grauen Wölfen sind ausschließlich Türken", erklärt Bonvalot.

Syrer weiter in Haft

Bei der Landespolizei Wien hieß es auf STANDARD-Anfrage, dass das Landeskriminalamt die Ermittlungen zur Silvesternacht übernommen habe. Der 21-jährige Syrer, der versucht habe, in das Juweliergeschäft einzubrechen, sei als einziger von mehreren Festgenommenen noch in Haft. Als mögliches Motiv "wurden in ersten Befragungen Geldnöte genannt", heißt es von der Polizei. Die erhöhte Polizeipräsenz wurde bereits am Neujahrstag umgesetzt. (Colette M. Schmidt, 3.1.2021)