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Im albanischen Seman versinkt die Pipeline TAP in der Adria, um im süditalienischen Apulien wieder aufzutauchen. Durch die Trans Adriatic Pipeline strömt seit wenigen Tagen Gas nach Süditalien.

Foto: reuters / florian goga

Um 6.04 Uhr am 31. Dezember wurde in Melendugno in der süditalienischen Region Apulien symbolisch der Gashahn aufgedreht – seither fließt vom Gasfeld Schah Deniz im aserbaidschanischen Teil des Kaspischen Meeres das Erdgas über Georgien, die Türkei, Bulgarien, Griechenland und Albanien nach Italien.

Die Trans Adriatic Pipeline (TAP) mit einer Länge von 878 Kilometern, die nun ihren Betrieb aufgenommen hat, war der noch fehlende Teil des insgesamt 3500 Kilometer langen "südlichen Korridors", der Italien, Griechenland und Bulgarien jedes Jahr mit zehn Milliarden Kubikmetern Gas versorgen soll. Zwischen Albanien und Italien verläuft die Pipeline auf einer Länge von 105 Kilometern auf dem Meeresboden der Adria.

Strategisch wichtiges Projekt

Die knapp vier Milliarden Euro teure TAP gilt innerhalb der EU als strategisch wichtiges Infrastrukturvorhaben: Dank der neuen Leitung soll die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen reduziert werden. Tatsächlich können dank des Anschlusses der TAP an das italienische Fernleitungsnetz auch die zentraleuropäischen Länder mit dem aserbaidschanischen Gas beliefert werden. Die Gasröhre ist von der Europäischen Investitionsbank denn auch mitfinanziert worden.

Im Vergleich zur Ostseepipeline Nord Stream 1 aus Russland, die auf bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas ausgelegt ist, scheint die Kapazität der TAP mit zehn Milliarden Kubikmetern relativ gering – mittelfristig soll ihre Leistung allerdings auf 20 Milliarden Kubikmeter verdoppelt werden.

Es war die OMV, die ihr Projekt einer Gaspipeline von Aserbaidschan nach Zentraleuropa 2013 endgültig ad acta legen musste.

"Heute ist ein historischer Tag für das Projekt, für die beteiligten Länder und für den gesamten Energiesektor Europas", erklärte der italienische TAP-Direktor Luca Schieppati in Melendugno, als das aserbaidschanische Gas begann, ins italienische und europäische Netz zu strömen.

Am TAP-Konsortium sind neben dem aserbaidschanischen Staatskonzern Socar (20 Prozent) auch der italienische Gasnetzbetreiber Snam (20 Prozent), die belgische Fluxys (19 Prozent), die Enagas aus Spanien (16 Prozent) sowie die britische BP (20 Prozent) beteiligt, die auf dem Schah-Deniz-Feld das Gas fördert. Die restlichen fünf Prozent hält der schweizerische Energiekonzern Axpo.

Lange umstritten gewesene Pipeline

Italienische Regierungsvertreter haben sich in Melendugno an dem "historischen Tag" dennoch nicht blicken lassen. Der Grund: Die Gasröhre durch die Adria war in Italien jahrelang heißumstritten. Die Fünf-Sterne-Bewegung hatte im Wahlkampf von 2018 versprochen, das Projekt im Fall einer Wahl ein für alle Mal zu blockieren. Nach der Wahl, bei der die "Grillini" größte Regierungspartei wurden, erfolgte prompt der Rückzieher: Angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Bauarbeiten und von drohenden Kompensationszahlungen in Milliardenhöhe gab die Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte grünes Licht für die Fertigstellung der Leitung. Premier Conte, selbst parteilos, aber den Fünf Sternen politisch nahestehend, ließ sich zu Silvester in Melendugno entschuldigen, weil er nicht in alten Wunden rühren wollte.

Beim Bau der letzten TAP-Kilometer auf italienischem Boden ist man den "Grillini" und den Umweltschützern insofern entgegengekommen, als die gesamte Pipeline unterirdisch verlegt wurde. Für die Bauarbeiten wurden 2109 alte Olivenbäume sorgfältig ausgegraben und zwischengelagert. Nun werden die Pflanzen an ihrem alten Standort wieder eingepflanzt. Auch am Strand von Melendugno, wo die Pipeline aus der Adria auftauchen sollte, wurde die Röhre unterirdisch verlegt und der Strand wiederhergestellt.

Geopolitische Entscheidung

Die Adria-Pipeline TAP nutzt einen Teil der Route der 2014 von Russland eingestellten South-Stream-Pipeline (siehe Grafik). Unter die geopolitischen Räder der TAP kam in gewisser Weise das von der EU befeuerte Projekt Nabucco unter Ägide der OMV, mit dem kaspisches Gas über Bulgarien und Wien geliefert werden sollte. (Dominik Straub, 4.1.2021)