Die Verwirrung darüber, was man noch darf und was nicht, kann für Jugendliche zur Belastung werden.

Foto: Christian Fischer

Schon bevor Laura Einiö-Wunderer und Clemens Roßbacher an diesem kalten Wintertag ihren Dienst antreten, wissen sie, dass sie vermutlich mäßigen Erfolg haben werden. Auch in normalen Wintermonaten, wenn keine Corona-Pandemie herrscht, treffen die Jugendarbeiter wenige Jugendliche in den Parks im fünften Wiener Gemeindebezirk an, die sie durchstreifen. Doch seit Corona ist es noch schwieriger für die beiden geworden, ihre Zielgruppe aufzustöbern – obwohl sie mehr als zuvor draußen unterwegs sind, weil die Angebote drinnen über lange Zeiträume hinweg auf ein absolutes Minimum reduziert werden mussten, so wie auch derzeit.

Die beiden ziehen von Park zu Park, sprechen immer wieder vereinzelt Jugendliche an. Normalerweise würde man immer wieder kleine Grüppchen antreffen, sagt Einiö-Wunderer. Einerseits würden sich die meisten Jugendlichen eben an die Ausgangsbeschränkungen halten, sagt die 42-Jährige. Andererseits dürften viele wohl auch verschreckt sein, weil während des ersten Lockdowns auch Jugendliche zum Teil hohe Strafen kassierten. 500 Euro oder mehr seien keine Seltenheit gewesen, heißt es von den Wiener Jugendzentren: Sie halfen Betroffenen dabei, Einspruch zu erheben, viele Strafen reduzierten sich.

Rückzug

Derzeit erlebe man die Polizei jedoch als "sehr umsichtig" im Umgang mit Jugendlichen, heißt es seitens der Jugendzentren. Eine Änderung der Strategie habe es aber nicht gegeben, heißt es von der Landespolizeidirektion Wien: Man habe "seit Beginn" auf Dialog gesetzt. Während des zweiten Lockdowns kam es zu 2.545 Anzeigen und 1.300 Organmandaten. Die häufigsten Gründe: Missachtung der Abstandsregeln und Ausgangsbeschränkungen sowie Fehlen eines Mund-Nasen-Schutzes. Eine Aufschlüsselung darüber, wie viele Anzeigen Jugendliche betrafen, gibt es jedoch nicht.

Doch schon vor dem Winter beobachtete der Verein Wiener Jugendzentren gemessen an den Kontakten, die die Betreuer zu den Jugendlichen hatten, einen deutlichen Rückzug von jungen Menschen aus dem öffentlichen Raum: Zwischen Mitte März und Ende Oktober ergab sich ein Minus an Kontakten von etwa einem Fünftel. Zwar seien die Zahlen mit jenen aus dem Vorjahr nur bedingt vergleichbar, heißt es: Denn die tatsächliche Anzahl an Jugendlichen im öffentlichen Raum dürfte noch geringer sein, nachdem die Jugendarbeiter nun verstärkt draußen unterwegs sind und dadurch auch mehr Kontakte verzeichnen.

Trend erkennbar

Auffällig ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern: Während der Rückgang bei den Burschen bei 15 Prozent lag, war er bei Mädchen mit minus 27 Prozent fast doppelt so hoch. Das könnte zwar zum Teil auch daran liegen, dass heuer keine Veranstaltungen angeboten werden konnten, die immer gleichermaßen gut von Mädchen und Burschen besucht wurden. Doch ein Trend lässt sich allemal ablesen: Der Kontakt zu Mädchen schwindet. Und dieser habe sich auch nach dem Terroranschlag noch einmal verstärkt, berichtet Einiö-Wunderer.

Das bedeute, dass Mädchen offenbar in ihren Handlungsmöglichkeiten häufiger eingeschränkt werden, schlussfolgern die Wiener Jugendzentren: Es werde eine "große Anstrengung" brauchen, den öffentlichen Raum auch wieder zu einem "gerne genutzten Freiraum für Mädchen" zu machen.

Unklare Regeln

Dabei wäre gerade der öffentliche Raum nicht nur der Ort, der während Corona als sicherer Treffpunkt gelten könnte, sondern auch der Ort, der ohnedies eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Jugendlichen einnimmt: Der öffentliche Raum helfe jungen Menschen, weiter zu durchzuhalten, schreiben die Jugendzentren in einem Statement. Er nehme vor allem dann eine wichtige Rolle ein, wenn man Besuche reduzieren solle und beengte Wohnverhältnisse gegeben seien – für die Pflege von Freundschaften, für entlastende Gespräche.

Viele haben mittlerweile den Überblick darüber verloren, welche Regeln gelten und welche nicht. Besonders für Jugendliche sind die Lockdown-Vorschriften mittlerweile schwer zu durchblicken.

Am Rande eines Parks treffen die beiden Jugendarbeiter auf den 19-jährigen Andrzej, den sie schon lange kennen. Anstrengend sei es in der Schule, erzählt er, sie hätten phasenweise keine Tests und dann Unmengen auf einmal, um die verlorenen nachzuholen. Homeschooling sei mittlerweile schon anstrengend geworden. Was er in den nächsten Tagen so vorhabe, fragt Roßbacher. "Eigentlich nichts", sagt Andrzej. Er habe das Gefühl, dass es ohnehin nicht erwünscht sei, rauszugehen. (Vanessa Gaigg, 13.1.2021)