Christoph Hinterhubers "Post Kunst Para Uni" (2015) ist im Künstlerhaus Büchsenhausen zu sehen.

Foto: Siclodi

Sind auch Künstler Geschäftsreisende? Die Frage wurde im Frühjahr 2020, als die Covid-19-Pandemie weltweit für massive Einschränkungen der Reisefreiheit sorgte, auch für Andrei Siclodi virulent. Schließlich befand man sich im Innsbrucker Künstlerhaus Büchsenhausen zu diesem Zeitpunkt gerade im Auswahlverfahren für die Gastkünstler 2020/21. Ob internationale Künstlerresidenzen überhaupt möglich sein würden, war zu diesem Zeitpunkt allerdings ungewiss.

Siclodi, Gründungsdirektor des postgradualen Fellowship-Programms für Kunst und Theorie in Büchsenhausen, entschied sich trotzdem dafür, an der internationalen Ausrichtung festzuhalten. "Es gab durchaus Diskussionen, aber letztlich haben mir die Kollegen im Fachbeirat recht gegeben, dass wir nicht die Grundsätze des Programms über Bord werfen können, nur weil es vielleicht leichter ist, regional zu arbeiten", sagt Siclodi im STANDARD-Gespräch.

Ansicht der Ausstellung.
Foto: Daniel Jarosch

Laut einer Umfrage von Res Artis, einem internationalen Netzwerk für Artist-Residencies, dem auch das Künstlerhaus Büchsenhausen angehört, mussten 2020 mehr als die Hälfte der geplanten Programme verschoben oder ganz abgesagt werden, eine von zehn Einrichtungen hat das Corona-Jahr nicht überlebt. "Künstlerresidenzen leben ja von der Mobilität", sagt Siclodi, bedroht seien vor allem die von gemeinnützigen Kunstvereinen gestemmten sowie privat finanzierten Programme.

Das Künstlerhaus Büchsenhausen ist eine Sektion des Vereins Tiroler Künstler*schaft. Dass sich die Subventionsgeber Bund, Stadt Innsbruck und Land Tirol dazu bekannt haben, die Finanzierung aufrechtzuerhalten, sei hilfreich gewesen, sagt Siclodi, "überhaupt so weit zu kommen, dass die Leute ein Visum beantragen können", blieb während der letzten Monate dennoch eine "Riesenherausforderung".

Bürokratische Hürden

Im September gab Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer bekannt, dass für Kulturschaffende ohne EU-Staatsbürgerschaft eine Ausnahmeregelung gelte, in der Praxis tun sich dennoch immer noch zahlreiche bürokratische Hürden auf, berichtet Siclodi. Etwa wenn aus den Herkunftsländern der Künstler plötzlich Nachweise in Versicherungsfragen verlangt würden, die bisher nicht nötig gewesen seien.

Dennoch zeigt Siclodi sich optimistisch, dass demnächst Gastkünstler aus der Ukraine, Australien, Ägypten und Deutschland nach Innsbruck reisen und vor Ort ihre eingereichten Arbeitsvorhaben realisieren können. Wenn auch mit ein paar Monaten Verspätung.

Programm-Anpassungen

Von Unterbrechungen und ständigen Programm-Anpassungen geprägt war auch der Aufenthalt der Fellows 2019/20. Die Abschlussausstellung im Kunstpavillon musste, kaum eröffnet, aufgrund des dritten Lockdowns gleich wieder geschlossen werden. Wenn Ende Jänner wieder aufgesperrt werden darf, empfiehlt sich ein Besuch, denn Identität ist Ungewissheit, so der Titel der Schau, rührt auch an Fragen, die 2020 zusätzliche Dimensionen erhalten haben.

Das betrifft Airi Triisbergs Recherchen zum linken künstlerischen Aktivismus in Belarus ebenso wie die Auseinandersetzung mit der Konstruktion des "Anderen": Was Anna Dasović anhand des Materials auf jahrzehntelang im niederländischen Verteidigungsministerium gelagerten VHS-Kassetten und eigenen visuellen Recherchen in Srebrenica über den Umgang mit dem "Fremden" zu erzählen weiß, geht unter die Haut. (Ivona Jelcic, 5.1.2021)