Donald Trump schlug bei Brad Raffensperger im übertragenen Sinne mit der Faust auf den Tisch. Erfolglos.

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Wieder ist es der Mitschnitt eines Telefonats, der einen Sturm der Proteste gegen Donald Trump auslöst. Wie schon im Sommer vor eineinhalb Jahren, als er seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj aufforderte, ihm Wahlkampfmunition gegen Joe Biden zu liefern, klingt der US-Präsident wie ein Erpresser, der seine Macht missbraucht, um seinen Willen durchzusetzen. Diesmal sorgt ein am Samstag geführtes, rund einstündiges Gespräch mit dem Innenminister Georgias für Empörung – einem Parteifreund, dem er unverhohlen mit Konsequenzen droht.

Zugespielt wurde die Tonaufnahme der Washington Post, die sie zunächst in Auszügen und später in voller Länge veröffentlichte. "Schauen Sie, ich will nur eines, ich will 11.780 Stimmen finden", sagt Trump zu Brad Raffensperger, einem Republikaner, dem die Aufsicht über die Wahlen in dem Bundesstaat obliegt. Joe Biden hatte das Votum dort mit 11.779 Stimmen Vorsprung gewonnen.

County als Stein des Anstoßes

Zwei Nachzählungen in Folge, eine per Maschine, eine per Hand, hatten Bidens Sieg bestätigt, sodass auch die Wahlleute Georgias Mitte Dezember pflichtgemäß ihre Stimmen für den Demokraten abgaben. Das alles hinderte dessen Widerpart nicht daran, Raffensperger quasi in der Nachspielzeit zum groben Foul aufzufordern.

Es könne nicht sein, dass er verloren habe, es müsse Betrug im Spiel sein, wiederholte Trump, was er bereits seit Wochen behauptet. In Fulton County, einem Wahlkreis, der große Teile Atlantas umfasst, seien Tausende Stimmzettel vernichtet und Zählmaschinen manipuliert worden, behauptete er, eine abstruse Komplott-These aufgreifend. "Die Menschen in Georgia sind wütend. Die Menschen im Land sind wütend." Raffensperger solle sich die Sache noch einmal anschauen: "Es ist nichts Falsches daran zu sagen, dass Sie nachgerechnet haben". Wenn der Minister das tue, verdiene er sich echten Respekt, schmeichelt der Präsident. Als Raffensperger kühl entgegnet, Trumps Daten seien nicht akkurat, die offiziellen Angaben dagegen von Gerichten bestätigt, schlägt er andere Töne an. "Sie wissen, was getan wurde, und Sie berichten nicht darüber", wirft er dem Mann in Atlanta vor, wobei er seine Betrugstheorien zu Fakten erklärt. "Wissen Sie, das ist eine Straftat. Das dürfen Sie nicht zulassen. Das ist ein großes Risiko für Sie und Ihren Anwalt. Ein großes Risiko."

Nachdem der Mitschnitt öffentlich geworden war, verglichen demokratische Abgeordnete in Washington das Verhalten Trumps mit dem eines Mafiabosses. Alexandria Ocasio-Cortez, eine der Symbolfiguren des linken Flügels ihrer Partei, fordert ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatschef, auch wenn der in zwei Wochen ohnehin seinen Hut nehmen muss. Der Kalifornier Adam Schiff, federführend beim ersten, erfolglosen Impeachment-Versuch, spricht von einer Verachtung für die Demokratie, die sich einmal mehr manifestiere. "Wahrscheinlich kriminell. Und ein weiterer Missbrauch der Macht durch einen korrupten Mann, der ein Despot wäre, würden wir es erlauben."

Abstimmung im Kongress

David J. Worley, Anwalt und Mitglied der Demokratischen Partei, bat Raffensperger, eine Ermittlung einzuleiten, um festzustellen, ob der US-Präsident mit dem Telefonat eine Straftat begangen hat. Auch in den Reihen der Konservativen fanden einige den Mut, sich ohne Wenn und Aber von Trump zu distanzieren. Adam Kinzinger aus Illinois charakterisierte das Telefonat als "absolut beschämend". Jedem im Kongress, der mit dem Gedanken spiele, das Resultat der Wahl nicht anzuerkennen, wolle er sagen: "Angesichts dessen können Sie das ruhigen Gewissens nicht tun". Zwölf republikanische Senatoren und mehr als 100 Mitglieder des Repräsentantenhauses haben angekündigt, das Wahlergebnis am Mittwoch, wenn es vom Kongress zertifiziert werden muss, nicht anzuerkennen.

Widerspruch aus eigener Partei

Verantwortliche in dem Bundesstaat haben am Montag abermals die Behauptungen von Donald Trump über angeblichen Wahlbetrug zurückgewiesen. Die Anschuldigungen des scheidenden Präsidenten seien "nachweislich falsch", sagte Gabriel Sterling, einer der Zuständigen für die Durchführung von Wahlen in Georgia. "Wir haben eine Behauptung nach der anderen mit null Beweisen. Null."

Sterling, selbst ein Republikaner, appellierte eindringlich an die Wähler, bei den Stichwahlen am Dienstag ihre Stimme abzugeben – auch wenn Trump mit seinen grundlosen Vorwürfen den Glauben in das System untergrabe. (Frank Herrmann aus Washington, APA, 4.1.2021)